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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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1
    Nathan Rubin starb, weil er sich mutig zeigte. Es war nicht jene Art von Mut, mit der man im Krieg einen Orden bekommt, sondern diese plötzliche Aufwallung von Empörung, die dazu führen kann, dass man auf der Straße umgebracht wird.
    Er ging früh von zu Hause weg, so wie er das immer machte, sechs Tage die Woche, fünfzig Wochen im Jahr. Ein schmales Frühstück, angemessen einem kleinen, rundlichen Mann, der vorhatte, auch in seinen vierziger Jahren in Form zu bleiben. Langer Gang durch die mit Teppichen belegten Korridore eines Hauses am See, wie es sich für einen Mann gehörte, der an jedem der dreihundert Tage, an denen er arbeitete, tausend Dollar verdiente. Ein Daumendruck auf den Knopf des Garagentüröffners und eine kleine Drehung des Handgelenks, um den lautlosen Motor seiner teuren importierten Limousine zu starten. Eine CD in das Abspielgerät, ein kleiner Schwenk nach rückwärts auf die kiesbelegte Einfahrt, ein kurzes Antippen der Bremse, ein kleiner Schubser am Wählhebel der Automatik, ein wenig Gas, und die letzte, kurze Fahrt seines Lebens hatte begonnen. Sechs Uhr neunundvierzig morgens, Montag. Die einzige Ampel auf seiner Route stand auf Grün, und das war die unmittelbare Ursache seines Todes. Das bedeutete nämlich, dass das Präludium von Bachs Fuge in B-Moll noch achtunddreißig Sekunden zu laufen hatte, als er hinter seinem Praxisgebäude auf den reservierten Parkplatz bog. Er blieb sitzen und hörte sich das Stück zu Ende an, bis der letzte Orgelklang verhallt war, und das wiederum bedeutete, dass die drei Männer, als er aus seinem Wagen stieg, so nahe herangekommen waren,
dass er unwillkürlich zu ihnen hinüber sah. Die drei änderten ihren Kurs, drei Männer im Gleichschritt, wie Tänzer oder Soldaten. Er wandte sich ab und ging auf das Gebäude zu. Aber dann blieb er stehen. Sah sich um. Die drei Männer waren an seinem Wagen. Machten sich an den Türen zu schaffen.
    »He!«, rief er.
    Ein Ruf, der Überraschung, Ärger und Herausforderung ausdrückte. Die Art von instinktivem Laut, wie ihn ein ernsthafter, naiver Bürger von sich gibt, wenn etwas geschieht, was nicht geschehen sollte. Die Art von instinktivem Ruf, die bewirkt, dass ein ernsthafter, naiver Bürger umgebracht wird. Er ertappte sich dabei, wie er geradewegs auf seinen Wagen zuging. Zwar war er eins zu drei in der Minderzahl, aber er war im Recht, und das verschaffte ihm Auftrieb und machte ihn selbstbewusst. Er ging mit schnellen Schritten zurück, wütend, und fühlte sich dabei so fit, als hätte er die Lage voll im Griff.
    Aber dieses Gefühl war eine Illusion. Ein weicher Vorstadttyp wie er würde niemals eine Situation wie diese in den Griff bekommen. Und was er als Fitness ansah, war bloß Produkt eines Fitnessclubs. Hier hatte das überhaupt nichts zu bedeuten. Seine straffen Bauchmuskeln rissen bereits nach dem ersten brutalen Schlag. Sein Gesicht ruckte nach vorn und dann nach unten, harte Knöchel verwandelten seine Lippen in Brei und zerschmetterten seine Zähne. Grobe Hände und muskelbepackte Arme fassten ihn und hielten ihn hoch, als ob er gewichtslos wäre. Die Autoschlüssel wurden ihm entrissen, und dann traf ihn ein schmetternder Schlag am Ohr. Sein Mund füllte sich mit Blut. Er fiel auf den Asphalt, und dann krachten schwere Stiefel auf seinen Rücken herunter. Und auf seinen Bauch und seinen Kopf. Um ihn wurde es schwarz, wie auf einem Fernsehschirm bei einem Gewitter. Die Welt verschwand einfach. Sie schrumpfte zu einem dünnen, heißen Strich zusammen und verlosch.
    Und so starb er, weil er den Bruchteil einer Sekunde lang mutig gewesen war. Aber nicht gleich. Er starb viel später, nachdem der Sekundenbruchteil von Mut in lange Stunden
qualvoll keuchender Angst übergegangen war, und nachdem die langen Stunden der Angst in schreiender Panik explodiert waren.
     
    Jack Reacher blieb am Leben, weil er vorsichtig geworden war. Er war vorsichtig geworden, weil er ein Echo aus seiner Vergangenheit gehört hatte. Aus seiner umfangreichen Vergangenheit. Und das Echo stammte so ziemlich aus ihrem schlimmsten Teil.
    Dreizehn Jahre Militärdienst lagen hinter ihm, und die einzige Verwundung, die er dabei abbekommen hatte, stammte nicht von einer Kugel. Sie stammte von einem Fragment aus der Kinnlade eines Sergeants der Marines. Reacher war in Beirut stationiert gewesen, in dem US-Stützpunkt beim Flughafen. Auf den Stützpunkt wurde ein Attentat mit einer Autobombe verübt. Reacher stand gerade

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