Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
es schmerzte, und verhüllte sich hastig. Dasselbe, sobald sich ein Auto näherte. Nachts lag sie wach und malte sich hübsche Zeitungsartikel aus, Artikel über eine Polizistin, die nachts mit entblößten Brüsten beim Milchpumpen im Auto eingeschlafen war. Jemand hatte sie entdeckt. Jemand, der zufällig einen Fotoapparat bei sich trug – wer hatte keinen im Zeitalter der knipsenden, musizierenden, netsurfenden Cellphones? Es würde ein Foto voller schwarzer Balken werden, einen schmalen über ihren Augen, einen richtig breiten über ihren Playboy-Big-Boobs-Busen. Ihre engsten Kollegen würden wissen, wen das Foto zeigte. Die Zeitungsleute machten die Balken nie so dick, dass Freunde und Familie einen nicht erkannten.
    „Bist du noch da?“, erkundigte sich Marc.
    Lyanne stellte fest, dass sie das Gespräch noch nicht beendet hatte. „Ich hatte gerade eben einen großen Flashback“, erklärte sie. Marc gegenüber war sie stets ehrlich. Aber sie vermied es, ins Detail zu gehen, und Marc hakte niemals nach, wenn er auch nur den Hauch von Privatsphäre witterte. „Die letzten Jahre meines Lebens – sie flimmerten über meinen inneren Bildschirm.“
    „Bist du okay, Lyanne?“
    „Zumindest am Rande des grünen Bereichs, schätze ich. Wie lange war ich weg?“
    „Keine Ahnung. Auch nicht länger, als ein Delfin tauchen kann.“
    Sie schmunzelte. Es gefiel ihr, wenn Marc wegen ihr versuchte, witzig zu sein. Im Grunde gehörte er zu den Menschen, die sich damit schwertaten, etwas Humorvolles zu sagen, aber seit er Lyanne kannte, hatte er diesbezüglich ein paar Dinge dazugelernt. Es könnte tatsächlich sein, dass Marc meine große Liebe ist , dachte sie plötzlich. Aber wenn es so ist, dann darf es niemand jemals erfahren.
    „Ich bin noch eine halbe Meile von der Tayben Farm entfernt“, meldete sie. „Bisher kann ich keinen Feuerschein erkennen. Ich denke, dein Informant hat wieder mal ein UFO gesehen. Oder er … Moment mal, Marc, da ist was …“
    „Soll ich die Firefighters alarmieren?“
    Lyanne umklammerte das Lenkrad. „Warte noch eine Sekunde. Das ist entweder Rauch oder … Verdammt, Marc, ich glaube, das ist Rauch.“
    Längst war sie von der Landstraße in einen staubigen Feldweg eingebogen, der sie hinab in die Mulde führte, in der die Tayben Farm lag, weit vom Schuss, schlecht einzusehen, zu drei Seiten gesäumt von hohen Bäumen – Pappeln, wenn sie sich nicht irrte. Dabei hörte sie, wie Marc über das Telefon die Feuerwehr verständigte und alle Daten durchgab. Seine Stimme zitterte schrecklich. Er hatte viel zu lange gezögert. So eine dumme Geschichte konnte ihn seinen Job kosten. Und darüber hinaus weitere Konsequenzen haben, wenn es richtig schlecht lief …
    Obwohl er sich selbst in diese Lage gebracht hatte, fühlte sie sich mitschuldig.
    Dabei war es so eine harmlose, lange, eintönige Nacht gewesen.
    Lyanne begann auf ihrer Unterlippe zu kauen. Sie wünschte Marc von ganzem Herzen, dass sie sich täuschte, aber über den dunklen Himmel schien sich eine Decke aus etwas noch Dunklerem zu legen. Sie überlegte, ob es theoretisch möglich war, dass die Farm abbrannte, ohne dass jemand darauf aufmerksam wurde. Wenn alle Faktoren zusammenspielten, musste man die Frage wohl bejahen. Falls die Meilen entfernt lebenden Nachbarn einen gesunden Schlaf hatten und die spärlichen Autofahrer nicht so genau hinschauten.
    Um diese Zeit war wirklich kaum jemand unterwegs. Manchmal kam einem eine halbe Stunde lang kein Wagen entgegen. So langsam würde sich das ändern, denn es ging auf sechs Uhr zu.
    „Vorsicht, Mädchen!“, herrschte sie sich selbst an. Der Zufahrtsweg zur Farm hob sich bei diesen Lichtverhältnissen kaum von der buckeligen Wiese ab, und Lyanne blickte zu oft nach oben, nach dem Rauch. Zum Glück hatte es lange nicht geregnet, und der Untergrund war griffig.
    Das Licht ihrer Scheinwerfer traf auf eine Reihe aus drei Bäumen – keine Pappeln, sondern etwas Wuchtigeres, Ulmen vielleicht. Es war ihr, als ließe sich dahinter ein rötliches Glimmen ausmachen, aber es konnte sich auch um eine Lichtreflexion handeln. Der Weg wand sich an den Bäumen vorbei. Wenn ihre Erinnerung an ihren letzten Besuch sie nicht im Stich ließ, musste im nächsten Augenblick der Blick frei werden auf das zweistöckige Wohnhaus zur Rechten und auf den großen, flachen Hühnerstall zur Linken, Inhalt: zweitausend Hühner, wenn es hoch kam.
    Lyanne spürte ihre Brüste. Sie spannten, sie schmerzten,

Weitere Kostenlose Bücher