Fallen Angel 07 Tanz der Rose
diesem Leben wollte ich an den Ort zurückkehren, wo ich so glücklich gewesen war, doch nach unserer Heirat mußte ich erkennen, daß es nicht die alten Steine waren, nach denen ich mich gesehnt hatte. Was mein Herz wirklich begehrte, war die Glaubensgemeinschaft, die ich verloren hatte.
Die Glocke im Turm begann zu läuten - ein feierlicher Ruf zum Gebet. Louisa senkte den Kopf. Leb wohl, Stephen. Gott segne dich.
Sie entfernte sich langsam, und Stephen sah im westlichen Kreuzgang eine lange Reihe Nonnen, denen Louisa sich anschloß, während sie einen Schleier über ihr Gesicht zog. Die erste Nonne betrat die Kapelle, die anderen folgten geräuschlos. Nach Louisa schloß sich die Tür, und Stephen war allein. Er verstand, daß sie einst zu dieser Schwesternschaft gehört hatte. Keusch und fromm, war sie im reinen mit sich selbst gewesen. Und weil das Leben mit ihm ihr diesen Frieden nicht bescheren konnte, war sie stets von einer tiefen Traurigkeit erfüllt gewesen, die sie wie eine unüberwindliche Steinmauer voneinander getrennt hatte.
Jetzt war sie wieder mit sich im reinen. Stephen schloß die Augen und sprach ein Dankgebet, das erste innig empfundene Gebet seines Lebens.
Wenn er wirklich noch am Leben war... Der Garten sah jetzt wieder so aus, wie er ihn kannte und liebte, doch er brauchte keinen Garten, sondern Rosalind. Nur sie könnte ihn davon überzeugen, daß er noch lebte.
Sein Herz machte einen Freudensprung, als sie tatsächlich auf ihn zukam, Arm in Arm mit einem Mann, beide in den prächtigen Gewändern, die vor einem Vierteljahrhundert modern gewesen waren.
Nein, die Frau war nicht Rosalind! Ihre Augen waren blau, nicht braun, und sie war etwas kleiner als seine Frau. Mit gespenstischer Gelassenheit begriff er, daß er Sophia Westley und ihren Mann, Philippe St. Cyr, sah. Sophia lächelte ihm zu, als wären sie alte Bekannte, und reichte ihm ihre Hand zum Kuß. Sie war warm, fest, er staunlich real. Bestürzt stellte er fest, daß Sophia jünger als Rosalind aussah, und auch ihr Mann mußte jünger als Stephen selbst sein.
Sie hielt seine Hand fest, und vor seinem geistigen Auge tauchten Bilder in rascher Folge auf. Eine ältere Frau stolperte mit einem verängstigten Kind durch die Wälder, versteckte sich vor Soldaten, bezahlte von ihrem kleinen Geldvorrat die notwendigsten Lebensmittel und Fahrten auf Bauernkarren. Endlich erreichte sie einen Hafen - in Frankreich? in Belgien? - und kaufte eine Schiffspassage nach London. Irgendwie hatte Stephen das Gefühl, als hätten Sophie und Philippe das Kindermädchen und ihren Schützling auf der Reise begleitet und beschützt, so gut sie konnten.
Doch sie waren machtlos, als das Herz der alten Frau auf dem Londoner Kai versagte. Stephen sah im Geist, wie der uniformierte Beamte von der Küstenwache nach Rosalind griff, wie sie entsetzt wegrannte und sich im schmutzigen Straßengewirr verkroch.
Sophia und Philippe blieben bei ihrer Tochter, versuchten sie vor dem Schlimmsten zu bewahren und hielten nach jemandem Ausschau, der sich ihrer annehmen könnte, doch vergeblich. Beide waren schließlich nur Geister, noch dazu völlig unerfahrene.
Dann kam der Tag, als Sophia endlich Thomas und Maria entdeckte, die lachend den Tower verließen, wo sie die Kronjuwelen bestaunt hatten. Sophia spürte in Maria eine Seelenverwandtschaft, die es ihr ermöglichte, geistigen Kontakt aufzunehmen und die Schritte der Fremden ins Hafenviertel zu lenken.
Als Sophia und Philippe sahen, daß die Fitzgeralds freundlich zu ihrer Tochter waren und die Kleine mitnahmen, konnten sie selbst endlich Frieden im Garten des Lichts finden.
»Ich habe verstanden«, sagte Stephen und küßte die glatte Wange seiner Schwiegermutter. Philippe schüttelte ihm kräftig die Hand. Er war ein attraktiver dunkelhaariger Mann mit warmen braunen Augen - Rosalinds Augen. »Ihr habt eure Sache sehr gut gemacht. «
Nicht wir allein. Philippe machte eine Geste, und Stephen blickte in einen umzäunten Garten, wo eine ältere Frau mit heiterem Gesicht auf mehrere Kinder aufpaßte, die in der Sonne tanzten. Madame Standish, Marguerites tapfere Amme.
Die Frau hob den Kopf und lächelte Stephen zu. Er begriff, daß sie sich an diesem Ort, der weder Erde noch Himmel war, um Kinder kümmerte, die früh verstorben waren.
Stephen wandte seine Aufmerksamkeit wieder Sophia und Philippe zu. »Danke«, sagte er ruhig. »Ich weiß natürlich, daß ihr eure Tochter nicht um meinetwillen gerettet
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