Fallen Angel 07 Tanz der Rose
ich improvisieren, so daß das Publikum nichts bemerkt. «
Die Musikanten hatten die Ouvertüre beendet und stimmten den feurigen Marsch an, der den Auftritt von Theseus, dem Herzog von Athen, mit seiner Braut, der Amazonenkönigin Hippolyta, einleitete. Selbst so aufgeregt wie immer, wenn sie auf die Bühne mußte, griff Rosalind nach Stephens Hand. »Nur Mut, mein geliebter Herzog! Das ist nur Redminster, eine Kleinstadt, und wenn Sie versagen, wird es in keiner Zeitung zu lesen sein. «
»Aber Shakespeare könnte aus dem Grabe auferstehen und mich mit seinem Zorn verfolgen«, murmelte Stephen düster.
»Diese Ehre wird er Ihnen bestimmt nicht antun«, konterte sie schlagfertig. »Sein Werk wird nun schon seit Jahrhunderten verstümmelt, und trotzdem ruht er allem Anschein nach in Frieden. So miserabel wie einige Schauspieler, die ich gesehen habe, können Sie gar nicht sein. «
Er lächelte gequält, und bevor seine Nerven vollends versagten, verklang der Marsch, und sie traten Hand in Hand aus den Kulissen.
Jetzt waren die Augen aller Zuschauer auf sie gerichtet, und Rosalind spürte, daß ihr Partner sich noch mehr versteifte. Ihren Fingerdruck verstärkend, flüsterte sie: »Nicht über die eigenen Füße fallen und deutlich sprechen! «
Stephen schloß sekundenlang die Augen, sammelte sich und sagte mit kraftvoller Stimme: »Nun rückt, Hippolyta, die Hochzeitstunde mit Eil' heran... «
Rosalind hielt den Atem an, weil in seinen Augen so viel Wärme geschrieben stand. Lag es daran, daß er kein professioneller Schauspieler war? Jedenfalls wirkte er kein bißchen gekünstelt, sondern strahlte eine Aufrichtigkeit aus, die sie für einen Moment vergessen ließ, daß sie auf der Bühne standen. Er war ein Herrscher und ein Held, und er wollte sie zu seiner Frau machen. Sie liebte ihn, sie sehnte sich nach seinen Küssen und wollte ihren Körper an den seinen pressen...
Ein Hüsteln im Publikum riß sie aus der Verzückung, kurz bevor sie ihr Stichwort verpaßt hätte, und über zwanzig Jahre Bühnenerfahrung halfen ihr, Theseus verführerisch zuzulächeln - Theseus , nicht Stephen! - und ihm zu versichern, wie schnell die letzten Tage bis zur Hochzeit vergehen würden.
Im Laufe der Szene stieg freudige Erregung in Rosalind auf. Die routinierte Truppe ihrer Eltern brachte zwar immer gute Vorstellungen zustande, doch sie spürte, daß dies einer jener Abende sein würde, an denen eine zusätzliche magische Wirkung entstand. Stephens selbstbewußtes Auftreten und seine Männlichkeit verbesserten ihre eigene schauspielerische Leistung: Sie verwandelte sich in die Amazonenkönigin, um die Theseus >mit dem Schwert gebuhlt< hatte, und die sich nun auf ihre Vermählung >mit Prunkaufzügen und Maskenfestem freute.
Die Stille im Zuschauerraum verriet ihr, daß alle sofort in den Bann des Stücks geraten waren und das Geschehen bis zum Schluß atemlos verfolgen würden.
Als Jessica, Edmund und Jeremiah auftraten und verlangten, daß der Herzog Recht sprechen solle, sprang der zündende Funke auch auf sie über, so daß sie ihre Rollen noch überzeugender als gewöhnlich verkörperten.
Bald gingen Rosalind und Stephen von der Bühne ab. Maria, die im silbrigen Kostüm der Elfenkönigin Titania hinter den Kulissen wartete, umarmte Stephen überschwenglich, und Rosalind beneidete ihre Mutter um diese Unbefangenheit, die ihr selbst fehlte, weil sie sich insgeheim viel zu sehr wünschte, in den Armen dieses Mannes zu liegen.
»Sie waren fantastisch! « Marias leise Stimme bebte vor Freude. »War es nicht herrlich? «
»Meine Amazonenkönigin hat mich zum Glück davor bewahrt, stumm dazustehen und kein Wort hervorzubringen. Danke, daß Sie mir erlaubt haben mitzuspielen. Nur wenige Menschen bekommen eine solche Gelegenheit. «
Erleichtert und erfreut, daß Stephen seinen Auftritt genossen hatte, ging Rosalind in die winzige Damengarderobe, um ihr Elfenkostüm anzuziehen. Das war leicht.
Viel schwerer fiel es ihr zu vergessen, daß sie im Stück für wenige Minuten Stephens Braut gewesen war.
Weil Theseus nur in drei Szenen zu Beginn und am Schluß auftreten mußte, konnte Stephen fast das ganze Stück von den Kulissen aus beobachten. Jessica glänzte als hübsche verwirrte Hermia, Thomas und Maria waren als Elfenkönig und Elfenkönigin unübertrefflich, und Brian gab einen köstlich koboldhaften Puck ab. Stephen hatte noch nie eine bessere Aufführung des Sommernachtstraums gesehen. Thomas Fitzgerald hatte eine
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