Fallen Angel 07 Tanz der Rose
eine Schauspielerin heiraten wollte? Zweifellos hätte ihn bei dieser Neuigkeit der Schlag getroffen! Er war sowieso nie mit Stephen zufrieden gewesen, obwohl dieser lange Zeit alles - aber auch wirklich alles - getan hatte, um dem alten Herrn zu gefallen. Irgendwann hatte er diese vergeblichen Versuche resigniert aufgegeben.
Seinem Vater wäre auch der Gedanke verhaßt gewesen, daß Michael der nächste Herzog sein würde. Ein Jammer, daß er es nie erfahren würde, dachte Stephen bitter. Der Alte war ein strenger und schwieriger Mann gewesen, der seinen eigenen jüngeren Bruder verabscheut hatte. Aus einem Rachegefühl heraus hatte er alles darangesetzt, um auch Stephen und Michael zu entzweien. Das war das einzige, was Stephen ihm nicht verzeihen konnte.
Claudia würde natürlich ebenfalls entsetzt über seine Mesalliance sein, und das war ein gewisses Problem. Wenn er Glück hatte, würde es ihm vielleicht gelingen, sie versöhnlich zu stimmen, sobald sie Rosalind richtig kennenlernte. Wenn nicht... dann eben nicht!
Der Green Man kam in Sicht. Zwei Personen stiegen gerade aus der Postkutsche aus: ein junger Mann und eine junge Frau. Als sie mit ihrem Gepäck im Gasthof verschwanden, sagte Rosalind nachdenklich: »Ich frage mich, ob das Simon Kent sein könnte. Ich habe zwar nicht gewußt, daß er verheiratet ist, aber der Bursche sieht so aus, als könnte er ein Schauspieler sein. «
»Keine imposante Erscheinung, aber das ist ja nicht ausschlaggebend. Edmund Kean macht äußerlich auch nicht viel her. «
»Du hast Kean auf der Bühne gesehen? « Als Stephen nickte, fragte Rosalind begierig: »Ist er wirklich so gut, wie behauptet wird? «
»Er ist fantastisch. Ich habe ihn das erstemal am Abend seines berühmten Londoner Debüts gesehen, als er im Kaufmann von Venedig den Shylock spielte. «
Sie machte große Augen. »Ich habe gehört, das Drury Lane Theater sei nur zu einem Drittel besetzt gewesen, als die Vorstellung begann, doch er habe so hervorragend gespielt, daß die Besucher in der ersten Pause auf die Straßen liefen und andere Leute zum Mitkommen überredeten. Ist das tatsächlich passiert? «
»Ja. « Stephen schmunzelte. »Obwohl es Januar und bitter kalt war, bin ich in ein Restaurant gelaufen und habe drei Freunde in meine Loge geschleppt. Gegen Ende des Stücks war das Theater voll. Es war wirklich ein ungewöhnliches Erlebnis. «
»Ich wäre gern dabeigewesen«, murmelte sie sehnsüchtig.
Er drückte ihre Hand. »Wenn wir in London sind, gehen wir ins Drury Lane. Die Theatersaison beginnt in etwa einer Woche. «
»Und du hast eine Loge! « kicherte Rosalind. »Ich werde mir sehr bedeutend Vorkommen. «
Weil Stephen befürchtete, daß sie sich in seiner Herzogsloge fehl am Platze fühlen und unter Minderwertigkeitskomplexen leiden würde, wechselte er rasch das Thema. »Kean ist ein großartiger Schauspieler - aber dein Vater ist genausogut. «
Er wurde durch Rosalinds strahlendes Lächeln belohnt, aber er hatte ihr mit diesem Kompliment nicht nur eine Freude machen wollen, sondern es ganz ernstgemeint. Hätte Thomas Fitzgerald sich nicht mit den Theaterdirektoren überworfen, wären er und Maria jetzt wahrscheinlich genauso berühmt wie Kean und Sarah Siddons. Es war traurig, aber wahr, daß Talent allein nicht ausreichte, um durchschlagenden Erfolg zu haben.
Sie betraten den Gasthof und wurden vom Stimmengewirr im Nebenraum angelockt. Die halbe Truppe hatte sich um die beiden schäbig gekleideten Neuankömmlinge geschart. Der junge Mann hatte seinen Hut abgenommen und unterhielt sich mit Thomas.
Als Stephen und Rosalind hereinkamen, winkte Thomas sie zu sich heran. »Das ist Simon Kent. Er ist einen Tag früher als geplant angekommen und hat seine Schwester Mary mitgebracht. «
Stephen musterte den Schauspieler. Kent war mittelgroß, und seine hellen Haare gehörten dringend geschnitten. Kein gutaussehender Mann, eher unscheinbar, aber mit wunderschönen dunkelgrauen Augen.
»Die Scheune, die wir uns angeschaut haben, ist ein bißchen klein, würde sich aber notfalls eignen«, berichtete Rosalind.
Thomas nickte. »Wir brauchen sie nicht. Die, zu der ich gegangen bin, ist sehr gut geeignet, und ich habe mit den Leuten schon vereinbart, daß wir heute abend dort auftreten. « Er wandte sich wieder Kent zu. »Dann wollen wir mal sehen, wie Sie spielen. Welche Rolle möchten Sie mir vorsprechen? «
Kents Unterkiefer klappte herunter. »Jetzt? «
»Jetzt! « Thomas' Stimme war
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