Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
fürchtete immer noch um sein Leben.
» Ich kann dein Leben retten, wenn du tust, was wir von dir verlangen!« Der Druck auf seine Schulter verstärkte sich. » Führ uns zu den Löwen!«
» Oh nein!« Debe zuckte erschrocken zusammen. » Löwe ist sehr gefährlich! Es gefällt Kauha nicht, Löwe zu jagen! Ich führe Männer nicht zu Löwe!«
» Du kleine Missgeburt! Ich werde dir Beine machen!« Nachtmahr holte mit der Faust aus, um ihn ins Gesicht zu schlagen. Doch Baltkorn fiel ihm erneut in den Arm.
» Ich mach es auf meine Art, ist das klar?«, raunzte er ihn an. Nachtmahrs dunkle Augen funkelten vor Zorn, doch schließlich ließ er mit grimmigem Blick von ihm ab. Baltkorn wandte sich erneut an Debe.
» Du musst den Löwen nicht töten, du sollst uns nur zu ihm führen. Dein Gott ist nicht so mächtig wie Mister Cannister. Er wird dir nicht böse sein. Wer ein Gewehr hat, hat sehr viel Macht! Wenn du tust, was ich dir sage, lehre ich dich mit der Macht umzugehen.«
Debe war hin- und hergerissen. Die Worte des weißen Mannes verwirrten seine Sinne. Was wusste er von Kauha? War der weiße Mann wirklich so mächtig, und konnte er etwas von seiner Macht auch auf ihn übertragen?
Baltkorns Stimme klang plötzlich hart wie das Eisen eines Pfeiles. » Wenn du dich weigerst, werden wir dich mitnehmen und ganz allein in einem dunklen Loch einsperren. Du hast die Wahl!«
Debe hatte davon reden gehört, dass die weißen Männer Buschmänner wie ihn einsperrten. Und die Verlockung war groß. Er musste nicht lange überlegen.
» Ich führe euch zu Löwen!«, verkündete er entschlossen.
Erster Teil
1924 - 1925
Neuigkeiten
Mai 1924
» Unverschämter, frecher Affe!«
Jella starrte auf ihre leere Hand, in der sie eben noch ein Butterbrot gehalten hatte. Tatenlos, wenn auch insgeheim amüsiert, musste sie mit ansehen, wie sich der Pavian mit ihrem Essen davonmachte. Sobald er sich in sicherer Entfernung wusste, setzte er sich auf seinen blanken Hintern und bleckte triumphierend die gelben Zähne in ihre Richtung. Es sah aus, als lachte er sie aus. Jella hob drohend den Zeigefinger.
Ihr vierjähriger Neffe Benjamin stand neben ihr und gluckste vor Lachen.
» Sieh nur, Tante Jella, jetzt macht Jacko dich auch noch nach!«
Das Butterbrot im Maul sprang der Affe auf und ab und äffte ihre Drohgebärde nach. Ihre anfängliche Empörung löste sich angesichts der theatralischen Vorstellung des Affen in schallendes Gelächter auf.
» Wir hätten nie erlauben dürfen, dass dieser unverschämte Pavian auf Owitambe bleibt!«, prustete sie los. » Irgendwann übernimmt er hier das Regiment. Das dürfen wir nicht zulassen!«
» Aber Jacko muss jetzt nicht weggehen, oder?«, fragte Benjamin und sah sie aus seinen hellblauen Augen groß an. Jella strich dem kleinen Jungen beruhigend über den krausblonden Wuschelkopf.
» Keine Angst, niemand wird Jacko von hier vertreiben, aber es wird Zeit, dass dein Großvater ihm endlich seine schlechten Manieren abgewöhnt! Er muss lernen, dass er sich nicht einfach nehmen kann, was er gerade will. Erst neulich hat er Großmutter Imeldas neuen Sommerhut ruiniert. Wenn ich nur daran denke, wie er die Kunstblumen genüsslich zerkaut hat …«
Jella unterbrach ihre Schimpftirade auf den Affen, als sie in der Ferne eine Staubwolke auf die Farm zukommen sah.
» Siehst du, wer da kommt?«, fragte sie ihren kleinen Neffen. Sie kniff die Augen zusammen und blinzelte. Ihre Sehkraft hatte in letzter Zeit etwas nachgelassen, aber sie war noch zu eitel, als dass sie sich mit einer Brille abgefunden hätte.
» Das ist der Bakkie von Onkel Fritz. Hoffentlich hat er mir die Zwille aus Okahandja mitgebracht!« Benjamin hüpfte aufgeregt auf und ab. » Ich bin nämlich längst alt genug, um schießen zu lernen!«
Die Staubwolke näherte sich rasch, und bald konnte auch Jella den motorisierten Pritschenwagen erkennen. Nach all den langen Jahren klopfte ihr Herz immer noch vor Freude, wenn sie ihren Mann nach längerer Zeit der Trennung wiedersah. Eilig fuhr sie sich mit ihren großen Händen durch das kurz geschnittene, rote Haar, das von feinen Silberfäden durchzogen war, und ging mit Benjamin zum Haus. Der Bakkie rollte auf den Hof und kam zum Stehen. Noch bevor Fritz richtig ausgestiegen war, wurde er von dem kleinen Jungen stürmisch umarmt. Fritz hob seinen Neffen etwas unbeholfen mit seinem Armstumpf auf seinen gesunden Arm und wirbelte ihn durch die Luft. Als er ihn schließlich absetzte,
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