Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Aberglauben auch ankämpfen? Oft unterstützte ihr Glaube sogar den Heilungsprozess.
» Kann ich dir helfen?«, drang Jella behutsam vor. Die Ovambofrau war vielleicht dreißig Jahre alt. Ihr fehlte ein Schneidezahn, und sie hatte offensichtlich vor noch gar nicht langer Zeit ein Baby entbunden, denn ihre Brüste waren prall gefüllt und voller Milch. Da sie das Kleine nicht bei sich trug, vermutete Jella, dass das Kind einige Tage nach der Geburt gestorben war.
» Schmerzen deine Brüste?«, fragte sie mitfühlend. » Wenn du willst, kann ich dir eine Salbe geben. Davon geht auch der Milchfluss zurück.«
Die Frau bedeckte angstvoll ihre nackten Brüste.
» Nein! Ich will keine Medizin! Ich brauche die Milch noch!«
» Dann lebt dein Baby?«
Jella sah sich suchend um. Offensichtlich war die Frau aber allein gekommen. Normalerweise trugen afrikanische Mütter ihre Kinder immer bei sich. Die Augen der Ovambo flackerten vor Angst, bevor sie zaghaft antwortete.
» Ich habe es versteckt!«, flüsterte sie.
» Aber warum, um Gottes willen? Hast du Angst, dass deinem Kind etwas geschieht? Hol es! Hier ist es in Sicherheit!«
Jella drängte die Frau. Schließlich lebte sie lange genug in der Wildnis, um zu wissen, dass selbst nahe am Haus immer wieder Schakale oder sogar größere Wildtiere ihr Unwesen trieben und ein so wehrloses Geschöpf als willkommene Beute betrachten würden.
» Mein Kind ist verflucht!«
Die Frau sah sich mehrfach um, so als würde sie verfolgt.
» Niemand hier wird deinem Kind etwas antun!«, versprach Jella nochmals. » Es steht unter meinem Schutz!«
Sie richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf und versuchte ein ernst zu nehmendes Gesicht zu machen. Das mochte zwar etwas großspurig wirken, aber sie hoffte, dass ihr Gebaren die Frau beruhigen würde. Unter dem Schutz einer Medizinfrau zu stehen bedeutete diesen Menschen viel. Vermutlich war mit dem Kind etwas nicht in Ordnung. Vielleicht war es behindert. In vielen Stämmen bedeutete eine Behinderung einen Fluch.
» Wenn dein Kind krank ist, dann bist du hier genau richtig. Ich sehe es mir gerne an. Vielleicht kann ich ihm helfen.«
Die Frau schüttelte betrübt den Kopf. » Mein Sohn ist gesund«, versicherte sie, » er braucht keine Medizin.«
» Ich kann den Fluch von ihm nehmen«, behauptete Jella.
Die Frau wich ängstlich zurück. » Das sagt der Sangoma in meinem Dorf auch. Er sagt, dass wir Nuru zu den Ahnen geben müssen, sonst wird eine schreckliche Krankheit über das ganze Dorf kommen.«
Jella raufte sich innerlich die Haare. Immer wieder wurde sie vor die Situation gestellt, sich gegen die barbarischen Sitten der Medizinmänner behaupten zu müssen. Dabei war es nicht so, dass sie die Heilkundigen der Stämme nicht achtete. Im Gegenteil. Einige von ihnen waren wirklich erstaunliche Heiler und verfügten über ein enormes pflanzenkundliches und psychologisches Wissen, um das sie sie beneidete. Allerdings gab es, wie unter Ärzten auch, Scharlatane, die ihre Stellung missbrauchten und für ihre eigenen Machtinteressen nutzten. Sie wusste, dass sie nun behutsam, aber auch entschieden vorgehen musste.
» Bring mir deinen Sohn, dann kann ich sehen, ob der Medizinmann in deinem Dorf recht hat!«, befahl sie mit strenger Miene.
» Der fremde Sangoma ist sehr mächtig«, sagte die Frau mit angstvoller Stimme. » Er hat schon einige von meinem Stamm verflucht. Sangoma sagt, wenn wir ihm unseren Sohn nicht geben, wird er großes Unglück über den ganzen Stamm bringen. Aber ich will nicht. Nuru ist mein einziges lebendes Kind. Er ist meine Zukunft! Du musst mir helfen, Madam!« Sie sah sie aus tränenglänzenden Augen an. Ihre Verzweiflung war fast greifbar.
» Bring den kleinen Nuru zu mir«, wiederholte Jella mit sanfter, eindringlicher Stimme. » Ich werde ihn mir ansehen, und dann überlegen wir, was wir tun können. Weiß dein Mann, dass du hier bist?«
Die Ovambo schüttelte verbittert den Kopf.
» Er denkt wie Sangoma. Nuru muss sterben, sagt er. Alle in meinem Dorf sind gegen mich!«
Ihre Verzweiflung brach sich nun endgültig ihren Weg, und sie begann leise zu weinen. Jella legte tröstend den Arm um sie und versuchte die Frau zu beruhigen. Und dennoch musste sie noch lange auf sie einreden, bevor sie endlich bereit war, das Baby zu holen. Als sie schließlich aus einem kleinen Waldstück trat, hatte sie ihr Kind der Tradition gemäß auf den Rücken gebunden. Allerdings war es unter dem großen Tuch nicht zu
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