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Familientherapie ohne Familie

Titel: Familientherapie ohne Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Weiss
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Luftschlucken unternehmen?‹ Manchmal antworte ich: ›Ich kann Ihnen zwar sagen, wie man ein Pferd besteigt, ich kann Ihnen aber nicht sagen, wie man es nicht be steigt.‹ Oder manchmal rate ich: ›Wenn Sie im Begriffe sind, das Haus zu verlassen, und Sie fühlen sich deswegen in einem Konflikt, schlucken Sie schnell etwas Luft!‹ Dieser Mann, wie manche andere Patienten, schluckte sogar im Schlaf Luft, aber nachdem ich ihm den Rat gegeben hatte, begann er sich selbst zu kontrollieren und stellte seine Gewohnheit ein.« 6
    Viktor Frankl, 1905 geboren, war Leiter einer neurologischen Klinik in Wien. In seiner »Logotherapie« sind Elemente der systemischen Therapie vorweggenommen. So führte er die Bezeichnung »paradoxe Intention« 7 ein. Ohne auf die Theorie seiner Logotherapie einzugehen, möchte ich einige Fallbeispiele zitieren, die Teile seiner Vorgehensweise verdeutlichen:
    »Ein junger Kollege wendet sich an uns: er leidet an einer schweren Hidrophobie (Angst vor dem Schwitzen). Von Haus aus ist er vegetativ labil. Eines Tages reicht er seinem Vorgesetzten die Hand und beobachtet dabei, dass er in auffallendem Maße in Schweiß gerät. Das nächste Mal, bei analoger Gelegenheit, erwartet er bereits den Schweißausbruch, und die Erwartungsangst treibt ihm auch schon den Angstschweiß in die Poren, womit der Circulus vitiosus in sich geschlossen ist: Die Hyperhidrose (vermehrtes Schwitzen) provoziert die Hidrophobie, und die Hidrophobie fixiert die Hyperhidrose. Unser hidrophober Kollege wurde nun von uns angewiesen, gegebenenfalls – in ängstlicher Erwartung eines Schweißausbruchs – geradezu sich vorzunehmen, demjenigen, dem er da begegnet, recht viel ›vorzuschwitzen‹. ›Bisher hab’ ich nur einen Liter zusammengeschwitzt‹, so sagte er jeweils zu sich selbst (wie er uns nachträglich gestand); ›jetzt aber will ich zehn Liter herausschwitzen!‹ Und das Ergebnis? Nachdem er vier Jahre lang an seiner Phobie gelitten hatte, konnte er sich von ihr auf diesem von uns gewiesenen Wege – nach einer
einzigen Sitzung – innerhalb einer Woche vollends und endgültig befreien.« 8
    »Nichts lässt den Patienten von sich selbst so sehr distanzieren wie der Humor (...) Der Patient soll lernen, der Angst ins Gesicht zu sehen, ja, ihr ins Gesicht zu lachen. Hierzu bedarf es eines Mutes zur Lächerlichkeit. Der Arzt darf sich nicht genieren, dem Patienten vorzusagen, ja vorzuspielen, was sich der Patient sagen soll. Wenn der Patient lächelt, sagen wir ihm: ›Auch wenn Sie all dies sich selbst sagen werden, werden Sie lächeln und gewonnenes Spiel haben. ‹ (...)
    Die Mutter der Patientin habe an einem Waschzwang gelitten. Sie selbst stehe seit elf Jahren wegen einer vegetativen Dystonie in Behandlung; trotzdem sei sie zunehmend nervös geworden. Im Vordergrund des Krankheitsbildes steht anfallsweises Herzklopfen; mit ihm einher geht Angst und ›ein kollapsartiges Gefühl‹. Nach den ersten Herz- und Angstanfällen habe sich die Angst eingestellt, dass es wieder zu alledem kommen könnte, woraufhin die Patientin das Herzklopfen auch schon bekommen habe. Im Besonderen fürchte sie sich davor, auf der Straße zusammenzustürzen oder vom Schlag getroffen zu werden. Die Patientin wird nun von Kollege Kocourek angewiesen, sich zu sagen: ›Das Herz soll noch mehr klopfen. Ich werde versuchen, auf der Gasse zusammenzustürzen. ‹ Die Patientin wird angewiesen, trainingsmä ßig alle ihr unangenehmen Situationen aufzusuchen und ihnen nicht auszuweichen. Zwei Wochen nach der Aufnahme berichtet die Patientin: ›Ich fühle mich sehr wohl und habe kaum mehr Herzklopfen. Die Angstzustände sind vollkommen geschwunden.‹ Nachdem die Patientin entlassen worden war, berichtete sie später: ›Habe ab und zu noch Herzklopfen, dann sage ich mir: Das Herz soll noch mehr klopfen. Das Herzklopfen hört dann auch wieder auf.‹ (...)
    Patientin ist 23 Jahre alt und leidet seit dem 17. Lebensjahr an der Zwangsvorstellung, sie könnte im Vorbeigehen, ohne es zu wissen, jemanden umgebracht haben. Muss dann
mehrfach zurückgehen, sich vergewissern, ob nicht irgendwo am Weg eine tote Frau liegt. Sie wird von Frau Dr. Niebauer behandelt (paradoxe Intention). Der Patientin wird geraten, sie solle sich sagen: Gestern habe ich schon dreißig umgebracht, heute erst zehn, da muss ich rasch weitergehen, damit ich mein heutiges Pensum noch rechtzeitig erledige. Sechs Tage später (Tonbandaufnahme): ›Ich muss sagen, das mit der

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