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Wolfsmondnacht (German Edition)

Wolfsmondnacht (German Edition)

Titel: Wolfsmondnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Lynn Morgan
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Kapitel 1
     
     
    Paris am 28. Juni des Jahres 1560
    Obwohl Jean-François seine Mutter nicht liebte, wünschte er ihr einen baldigen Tod. Um diesem beizuwohnen, wie es ihr letzter Wunsch gewesen war, stand er inmitten der Menschenmenge auf dem Place de Grève.
    Gedämpft drangen die Rufe des Volkes an sein Ohr.
    »Mörderin!«
    »Giftmischerin!«
    »Hure!«
    Über die züngelnden Flammen hinweg starrte Jean-François zu seiner Mutter. Todgeweiht stand Suzette in der Feuersbrunst des Scheiterhaufens. Schmerzverzerrt war ihr Gesicht. Schweiß rann über ihre Stirn. Ihr Haupt hielt sie, trotz der Beschimpfungen und der Schmerzen, erhoben. Ihr langes rotblondes Haar wehte wie eine Flamme im Wind.
    »Ich verfluche dich, Volk von Paris …« Suzettes schmerzbebende Stimme schwoll an zu einem Schrei, als ihre Haut unter der Hitze aufplatzte. Ihr schmuckloses Hurengewand war längst dahin. Ihr letzter Schrei verhallte und wich einer gespenstischen Stille, einzig unterlegt vom Knistern des Feuers und dem Raunen der Menge.
    Ein letztes Mal sah Jean-François in die Augen seiner Mutter, doch erkannte er sie nicht mehr darin. Nur Leere starrte ihm entgegen. Ihr Kopf sank vornüber. Die Flammen ergriffen ihr Haar, schwarz ließen sie es zurück. Die Ruine ihres Leibes gab ihre Seele frei in einem Feuerschwall, als fahre sie damit geradewegs zur Hölle.
    Die Luft war schwer vom Geruch verbrannten Fleisches, ihres Fleisches, dem er einst entsprungen war. Blut von seinem Blut, das jetzt verdampfte. Suzettes Knochen platzten mit einem lauten Knacken.
    Ein Windstoß stob ihre Asche über den Platz. Etwas davon streifte Jean-François Gesicht wie eine letzte Berührung aus dem Jenseits. Ihr Sterben hatte nur wenige Minuten gedauert, doch erschienen dieses Jean-François wie eine Ewigkeit – eine Vergangenheit, die ewige Gegenwart sein würde in seinen Albträumen. Er hielt ein Taschentuch vor seine Nase, nicht nur, um den Geruch verbrannten Fleisches daraus zu verbannen, sondern auch, um heimlich eine Träne damit abzuwischen.
    Er wandte sich um, als er ein Würgen hinter sich vernahm. Er sah nur den dunklen Schopf Juliettes, der fillette de joie , die seit drei Jahren im Bordell seiner Mutter arbeitete. Sie beugte sich über den Rinnstein, um ihre letzte Mahlzeit von sich zu geben. Kontraktionen schüttelten ihren Leib. Jean-François umfing sie von hinten, damit sie nicht vornüberkippte. Ihr Körper fühlte sich schmal in seinen Armen an, so zerbrechlich. Sie würgte, bis Galle kam, während er gegen seine eigene Übelkeit ankämpfte. Er lenkte sich ab, indem er ihr Haar betrachtete, das schimmerte wie Rabengefieder und nach würzigen Blumen duftete.
    Endlich war es vorüber. Er ließ von ihr ab und reichte ihr seinen Arm, auf den sie ihre Hand legte.
    »Danke«, sagte sie mit bebender Stimme.
    »Lass uns gehen.« Sanft umfasste er ihren Arm und zog sie mit sich.
    Juliette sah ihn traurig von der Seite an. »Wie hast du es nur ausgehalten?«
    Jean-François hob die Schultern. »Was sie dort verbrannten, besaß schon lange keine Seele mehr.« Seine Stimme klang so leer, wie er sich fühlte.
    Jeanette schwieg, was ihm recht war. Er wollte nicht mehr über Suzette reden. Weder über ihren Tod noch über sein Leben, das er nur dem Versagen eines ihrer Abtreibungstränke verdankte, ebenso wie Suzette ihren Tod. Ein Mädchen war daran gestorben. Das Blut, das die ungewollte Frucht hatte ausstoßen sollen, hörte nicht mehr auf zu fließen und nahm das Leben des Mädchens mit sich.
    Schweigend lief Jean-François neben Juliette die verwinkelten Straßen entlang. Am östlichen Himmel erblickte er die Bastille, die Verteidigungszwecken dienende Stadttorburg. Acht Zinnentürme besaß sie. Jeder davon trug einen Namen. Einer hieß Freiheit. War sie nur ein Wort, so wie der Mensch nur Asche war? Der Turm geriet aus seinem Blickfeld, doch nicht aus seinen Gedanken.
    Sie bogen ab in die Rue Froit-Mantel, wo sich Suzettes Bordell befand. Davor war ein Garten, in dem Suzette an Sommernachmittagen gelegentlich auf ihrer Bank gesessen hatte. Die Bank stand noch. Niemand benutzte sie mehr. All die Rosen, der Lavendel und die Hyazinthen blühten noch, doch von den Händen, die sie einst pflanzten, war nur ein Häufchen Asche übrig, weniger als die Erde unter ihren Wurzeln.
    Menschen hatten sich vor dem Bordell zusammengerottet. Es war nicht das erste Mal, doch sie sahen stets gleich aus. Zehn Personen waren es - ein grauer Haufen ohne Gesicht. Erst

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