Federzirkel 02 - Verführung und Hingabe
Rücken und rannte mit den Überresten der Gerte hinter ihm her.
Kapitel 2
Kim zog die Lippen nach, wog ab, ob der Lippenstift nicht zu knallig wirkte. Kaum kamen ihr die Zweifel, ärgerte sie sich schon. Selbstbewusst wie eine Amazone lautete das Motto ihres neuen Lebens. Sie grinste in den Rückspiegel des roten Micras mit den weißen Rallyestreifen. Zur Eröffnung der Ausstellung ihrer Freundin Viola, Fantasien der Lust, konnte sie schlecht als Mauerblümchen auftauchen.
Viola und sie hatten sich vor Jahren aus den Augen verloren. Als Kinder waren sie in jeder freien Minute zusammengehockt und hatten im Teenageralter gemeinsam die Liebe zu Pferden entdeckt. Kim hatte Viola ewig nicht gesehen und erst vor einigen Tagen zufällig bei einem Ausritt im Wald wiedergetroffen. Sie lächelte bei der Erinnerung von Viola, die den steilen Waldpfad hinaufschnaufte, begleitet von einem Hund. Kim war ihr auf Velvet, einer Traberstute, die sie vor dem Schlachthaus gerettet hatte, entgegengekommen. Zuerst war Viola an ihr vorbeigejoggt, doch dann hatten beide abrupt angehalten.
„Kim, bist du das?"
Kim war von der Fuchsstute gesprungen, und die Begrüßung war tränenreich ausgefallen. Währenddessen hatte Velvet neugierig den gigantischen Vierbeiner beschnüffelt, dem anzusehen war, dass er es faustdick hinter den Ohren hatte, ein Schelm auf ganzer Linie. Velvet hatte in sein Fell geschnaubt; die Stute mochte Hunde, und Kim spielte mit dem Gedanken, sich einen Wauzi zuzulegen.
Viola strotzte vor Selbstsicherheit, auf diese Weise kannte Kim sie nicht. Sie waren beide verunsicherte, schüchterne Mädchen gewesen und hatten sich lieber im Hintergrund aufgehalten. Kim vermutete, dass Viola als Teenager ein dunkles Geheimnis mit sich herumgetragen hatte, doch jetzt belastete es sie augenscheinlich nicht mehr. Vor all den Jahren hatte Kim versucht, es aus der Freundin herauszulocken, doch Viola hatte immer abgeblockt. Auch Kims eigene Kindheit hatte nicht gerade vor Glück geglänzt. Ihre Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie sieben gewesen war, und zu ihrer Großmutter abgeschoben, die der schlimmsten Version einer frigiden Nonne entsprach.
Sie erschauderte unter der Erinnerung, fasste in ihr Haar, wie um sich zu vergewissern, dass es ihre Schultern erreichte. Mit einem unguten Gefühl dachte sie an die entsetzliche Kurzhaarfrisur, die sie als Kind verunstaltet hatte, sowie die unförmige Kleidung zurück. Schließlich sollte sie nicht die Aufmerksamkeit des Teufels auf sich lenken. Mit Teufel waren alle männlichen Wesen auf der Erde gemeint, mit Ausnahme des Pastors. Es hatte sich erst jüngst herausgestellt, dass er das wahre Böse war.
Kim stieg aus dem Wagen und betrachtete unsicher das Kleid. Übersehen konnte niemand sie. Das enge Viskosekleid mit den kurzen Ärmeln leuchtete genauso kirschrot wie der Lippenstift. Der Saum hörte eine Handbreit über ihren Knien auf.
Komm, gib es zu, du siehst ansprechend aus!
Die Erkenntnis kam ihr nicht leicht von den Lippen, sah sie doch noch immer den dürren Teenager vor sich, der sie einst gewesen war. Es schien Ewigkeiten her zu sein, dennoch vergaß sie die Hänseleien nie. Zusammen mit ihrer Großmutter hatten sie ihre Kindheit in eine Welt der Verzweiflung getaucht. Die Erinnerung an die Jungen aus ihrer Klasse entlockte ihr ein Seufzen, besonders wenn sie an den dunkelhaarigen Mistkerl dachte. Wahrscheinlich zierte ihn dieser Tage eine Glatze, begleitet von einem One-Pack. Ihm würde sie gerne heute gegenübertreten und ihm seine eigene Medizin zu schmecken geben.
Energisch schob sie die düsteren Gedanken zur Seite. Jetzt war Zeit für Spaß und Sekt.
Die Ausstellung fand in Violas Zuhause statt. Das helle edle Landhaus mit den großen Fenstern machte den Eindruck, dass ihr Ehemann reich sein musste. Violas Mann hatte es renoviert. Er war Mitinhaber einer Baufirma namens In Love with Vintage , die alte Häuser in Wohnträume verwandelte. Auch aus diesem Grund besuchte sie die Vernissage: Ihr Domizil bedurfte einer gründlichen Renovierung, und Gary hatte ihr nach der Scheidung die nötigen Mittel überlassen, um das lang ersehnte Romantikhotel zu eröffnen. Er war zu gut für sie gewesen, und sie hatten sich als Freunde getrennt. Sie hoffte, ihr Ex war mit seiner neuen Flamme glücklicher als mit ihr. Sie hatte ihm nicht die Wärme geben können, die er brauchte. Ihre Kühle und Unsicherheit, die ihn anfangs angezogen hatten, überforderten ihn zum Schluss,
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