0735 - Tod in der Blauen Stadt
Robert Tendyke erwachte schlagartig, von einer Sekunde zur anderen. Er taumelte unsicher, hielt sich instinktiv irgendwo fest. Taumelte? Ganz langsam wurde ihm seine Umgebung bewusst. Okay, das war sein Schlafraum - dort stand sein Bett, doch er lag nicht in ihm, sondern stand nahe dem Fenster, stützte sich Halt suchend mit der rechten Hand auf die Lehne eines Stuhls. Er war nackt - er schlief immer nackt, wenn er sich nicht gerade in der Antarktis herumtrieb - und sein Körper glänzte schweißnass!
Was, bei allen Erzdämonen, war denn nur mit ihm los? Als Schlafwandler hatte Tendyke sich noch nie betätigt. Zumindest hatte noch niemand, der bei ihm eine Mitschlafgelegenheit erhielt, von solchen Eskapaden berichtet. Nur langsam verschwand das Schwindelgefühl.
Noch langsamer kehrte die Erinnerung zurück.
Er hatte geträumt.
Geträumt? Bisher hatte er sich immer für einen Menschen gehalten, der sich eines traumlosen Schlafes erfreuen konnte, zumindest konnte er sich nicht an Träume erinnern. Die wurden ja nicht immer als reines Vergnügen betrachtet, und sie hatten schon mehr als genug Menschen in die gierigen Arme der Psychiater und Psychologen getrieben.
Robert Tendyke dachte an seinen Sohn, an Julian, der auch der Träumer genannt wurde. Ob Julian mit, diesem seltsamen Schlaferlebnis zu tun hatte? Ein richtiger Traum war es ja eigentlich nicht gewesen. Schon eher ein schlechter Trip.
Tendyke fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wolle er so endgültig in die Realität zurückkehren. Eines jedoch war ihm klar: Was andere Menschen einfach als schlechten Traum einstuften und schnell wieder vergaßen, konnte bei ihm eine ganz andere Bedeutung haben. Schließlich war er nicht wie andere Menschen… Er musste also wachsam sein.
Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihm deutlich, dass es noch sehr früh am Morgen war. Aber er war hellwach, und an ein neuerliches Einschlafen war überhaupt nicht zu denken.
Die Mädchen schlafen sicher noch tief und fest, resümierte er in Gedanken. Also ausnahmsweise einmal Kaffee-Solo!
Doch zunächst brauchte er dringend eine kalte Dusche.
Irgendwie wurde er die Vorahnung nicht los, dass dieser Tag nicht unbedingt erfreulich vonstatten gehen würde. Was so begann, konnte nicht gut enden…
***
Die Seelen waren des Wartens überdrüssig. Es musste endlich vollbracht werden, denn sie wollten Ruhe und Frieden. Vor allem jedoch wollten sie heim. Sie hassten sich für das, was ihnen angetan worden war. Und auch wenn sie es nicht hatten verhindern können, so fühlten sie dennoch eine Mitschuld. Das Warten würde nun nicht mehr sehr lange dauern, dann geschah, was geschehen musste. Es gab keinen Zweifel daran, keine Alternative. Der Weg war einfach und geradlinig, aber an seinem Ende stand Leid.
Doch es würde nicht das Leid der Seelen sein. Es würde sie endlich befreien…
Endlich!
***
Auf dem Weg vom Bad zur Küche, der in Tendyke’s Home so seine Zeit in Anspruch nahm, schnupperte Robert erstaunt den immer intensiver werdenden Geruch, der nur eine Bedeutung haben konnte: frisch aufgebrühter Kaffee! Wie war das möglich? Ganz sicher war keiner seiner Bediensteten so verrückt, zu dieser unchristlichen Stunde mit seiner Arbeit zu beginnen. Nicht einmal sein Butler Scarth wäre auf so einen irrsinnigen Einfall gekommen. Doch dann gab es ja nur noch eine plausible Erklärung, und die bestätigte sich, als Robert den großzügig angelegten Raum betrat.
Dieser Morgen schlägt nun wirklich über seine Stränge, dachte er mehr als verblüfft, denn seine beiden Lebensgefährtinnen, die aus Deutschland stammenden Zwillinge Monica und Uschi Peters, saßen am Esstisch. Offenbar hatten sie ihr Frühstück bereits hinter sich und waren äußerst intensiv in ein Gespräch miteinander vertieft. Wie lange mochten die beiden bereits auf den Beinen sein?
Immerhin war der Anblick der beiden naturblonden Ladys so herzerfrischend, dass er Tendyke beinahe wieder mit dem Albtraum und dem frühen Morgen versöhnen konnte.
Tendyke räusperte sich laut, denn weder Uschi noch Monica hatten ihn bemerkt, was die Männerseele schon ein wenig kränkte.
»Ob ich wohl auch einen Kaffee…?«, fragte er vorsichtig.
Uschi zuckte zusammen, als hätte ein Geist das Zimmer betreten.
»Mir kommt gleich der Kaffee wieder hoch«, beschwerte sie sich in Roberts Richtung. »Du schleichst ja hier herum wie ein Dieb, Liebling!«
Trotz der unfreundlichen Begrüßung küsste Tendyke die beiden auf die
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