E.M. Remarque
Über das Buch
Über das Buch
Mit diesem Roman kehrt Erich Maria Remarque zum Thema
seines ersten Buches Im Westen nichts Neues zurück. Er erzählt von
Menschen, die unter der grausamen Willkür des Terrors und der Sinnlosigkeit des
Krieges leiden.
In der Nähe des Arc de Triomphe in Paris lebt in einem kleine Hotel ein deutscher
Arzt. Nachdem er 1933 zwei Freunden zur Flucht verholfen hatte, mußte er vor
der Gestapo fliehen und ist als illegaler Emigrant unter dem Namen Ravic in
Paris untergetaucht. Auch in der Illegalität übt er seinen Beruf aus, arbeitet
als Chirurg in einem großen Krankenhaus und als Arzt für Prostituierte.
Bestimmend in seinem Leben ist jedoch – neben der Liebe zum Beruf und der Liebe
zu zwei Frauen, die letztlich unerfüllt bleibt – sein Haß auf den
Gestapoagenten Haake, der in Paris aufgetaucht ist. Haake ist stellvertretend
schuld am Unglück Deutschlands und schuld am persönlichen Unglück Ravics, denn
er hat die Frau auf dem Gewissen, die Ravic einst in Deutschland liebte. Ohne
Skrupel lockt der Arzt Haake in eine Falle und bringt ihn um.
Der Zweite Weltkrieg kündigt sich an, die Emigranten
verlassen Paris. Ravic, dessen Tat unerkannt blieb, kommt als Ausländer in ein
französisches Internierungslager. Auf der Fahrt durch das verdunkelte Paris ist
der Arc de Triomphe nicht mehr zu erkennen.
Arc de Triomphe wurde Remarques zweiter Welterfolg
nach Im Westen nichts Neues. Mit der gleichen Leidenschaft wie in seinem
ersten Roman erzählt Remarque die Geschichte des Arztes Ravic, der nach Paris
emigriert und hier den Vorabend des Zweiten Weltkriegs erlebt. Aus der Liebe zu
zwei Frauen und dem Haß auf einen Gestapoagenten entwickelt sich das Drama
eines Exilschicksals, in dessen Radikalität sich der Aufstand gegen den Terror
einer ganzen Epoche spiegelt.
© 1945 by Erich Maria Remarque, © 1972 by Paulette Goddard-Remarque,
1979,1985, 1988 by Kiepenheuer & Witsch, Köln
Umschlag Manfred Schulz, Köln nach einer
Konzeption von Hannes Jahn
Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck
ISBN 3 462 01912 0
1
1 Die Frau kam schräg auf Ravic zu. Sie ging schnell, aber sonderbar
taumelig. Ravic bemerkte sie erst, als sie fast neben ihm war. Er sah ein
blasses Gesicht mit hochliegenden Wangenknochen und weit auseinanderstehenden
Augen. Das Gesicht war starr und maskenhaft; es wirkte, als sei es eingestürzt,
und die Augen hatten im Laternenlicht einen Ausdruck so gläserner Leere, daß er
aufmerksam wurde. –
Die Frau streifte ihn beinahe, so dicht ging sie an ihm
vorüber. Er streckte seine Hand aus und griff nach ihrem Arm. Im nächsten
Augenblick schwankte sie und wäre gefallen, wenn er sie nicht gehalten hätte.
Er hielt ihren Arm fest. »Wo wollen Sie hin?« fragte er
nach einer Weile.
Die Frau starrte ihn an. »Lassen Sie mich los«, flüsterte
sie.
Ravic erwiderte
nichts. Er hielt ihren Arm weiter fest.
»Lassen Sie mich los! Was soll das?« Die Frau bewegte
kaum die Lippen.
Ravic hatte den Eindruck, daß sie ihn gar nicht sah. Sie
blickte durch ihn hindurch, irgendwohin in die leere Nacht. Es war nur etwas,
das sie aufhielt und gegen das sie sprach. »Lassen Sie mich los!«
Er hatte sofort gesehen, daß sie keine Hure war. Sie war
auch nicht betrunken. Er hielt ihren Arm nicht mehr sehr fest. Sie hätte sich
leicht losmachen können, wenn sie gewollt hätte; aber sie bemerkte es nicht.
Ravic wartete eine Weile. »Wo wollen Sie wirklich hin, nachts, allein, um diese
Zeit in Paris?« sagte er dann noch einmal ruhig und ließ ihren Arm los.
Die Frau schwieg. Aber
sie ging nicht weiter. Es war, als ob sie, einmal angehalten, nicht mehr
weitergehen könne.
Ravic lehnte sich an das Geländer der Brücke. Er fühlte
den feuchten, porösen Stein unter seinen Händen.
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