Felidae
warnte, ließ ich mich doch von ihr nur allzu bereitwillig einlullen und tat alles wie befohlen.
»Komm her, mein Kleiner«, sagte der Mann ohne Gesicht verführerisch. »Komm nur her zu mir und schau dir an, was ich hier Hübsches für dich habe.«
Ich blieb vor ihm stehen und blickte wie hypnotisiert zu ihm auf. In seiner Hand funkelte ein silbernes Halsband, das mit Tausenden von glitzernden Diamanten bestückt war. So etwas Schönes und Kostbares hatte ich noch nie gesehen. Normalerweise sind mir Halsbänder ein Greuel, und ich weigere mich strikt eins zu tragen. Doch dieses Collier war geradezu eine Offenbarung. Die Reflexe der Diamanten blendeten meine Augen, so da ß sie zu schmerzen begannen. Der Mann ohne Gesicht beugte sich sachte zu mir hinunter und hielt das Halsband vor meine Nase.
»Na, wie findest du das?« redete er sanft auf mich ein. »Es ist wirklich ein schönes Stück, nicht wahr? Würde es dir gefallen, es zu tragen? Schau, ich schenke es dir! Einfach so ...«
Und bevor ich einen Ton herausbringen konnte, hatte er schwuppdiwupp die Kostbarkeit um meinen Hals gelegt und ließ das Schlo ß einschnappen. Aber während ich noch damit beschäftigt war, mein ungeheures Glück zu fassen, begann sich alles um mich herum zu verfinstern. Zunächst wurde das Weiß grau und dann ganz allmählich schwarz. Jetzt erst bemerkte ich, da ß aus dem Halsband eine rostige Kette herauswuchs, deren Ende der Mann ohne Gesicht in der Hand hielt. Während sich um uns diese deprimierende Dunkelheit ausbreitete und all die glitzernden Sternlein starben, zerrte er fest an der Kette. Das Halsband, das sich jetzt in eine Schlinge verwandelt hatte, zog sich um meinen Hals zusammen und drückte mir die Luftröhre ab.
Ich wehrte mich, schrie, versuchte, dem Mann ohne Gesicht zu entfliehen. Doch das machte alles viel schlimmer, weil die Schlinge sich dadurch noch enger zusammenzog. Innerhalb weniger Sekunden bekam ich überhaupt keine Luft mehr und begann vor Panik wild zu zappeln. Der Mann ohne Gesicht ri ß die Kette noch fester an sich und zog mich schließlich daran hoch, so da ß ich mit einem stechenden Schmerz an der Gurgel den Boden unter den Pfoten verlor.
Röchelnd, mir des baldigen Sterbens bewu ß t, blickte ich in dieser gottlosen Finsternis in die Leere, wo sich eigentlich sein Gesicht hätte befinden müssen. Plötzlich leuchteten dort zwei phosphoreszierend gelbe Augen auf. Es waren Augen meiner Art - und sie weinten. Perlendicke Tränen kullerten aus ihnen hervor und fielen ganz langsam, wie zur Landung angetretene Heißluftballons, zu Boden. Nun wu ß te ich, wo das Winseln und Heulen herkam. Doch war das jetzt so wichtig? Die Schlinge hatte meine Luftröhre vollends abgequetscht, und das bi ß chen Sauerstoff, das ich noch in meinen Lungen besessen hatte, war endgültig zur Neige gegangen. Alles um mich herum begann sich aufzublasen, wie ein Mosaik, das in extremer Zeitlupe explodiert. Ich starb, ohne das Geheimnis meines Traumes gelüftet zu haben.
Als ich ruckartig wieder in die Welt der Wachenden zurückkehrte, wollte ich schreien. Aber meine Kehle war vollkommen ausgetrocknet, was erklärte, weshalb ich vom Erstickungstod geträumt hatte. Mein Herz raste wie wahnsinnig, als hätte ich soeben an einem Marathonlauf teilgenommen, und mein ganzer Körper war derart verkrampft, als sei er zwischenzeitlich in eine Schrottpresse geraten. Ich sah diese weinenden Augen noch glasklar vor mir. Gepeinigte, gequälte, verletzte Augen. Gleichzeitig wu ß te ich, es waren die Augen eines Mörders. Doch warum weinten sie?
Ich blickte mich unsicher im Schlafzimmer um, um mich zu vergewissern, ob Gustav und Archie dem Raum nicht tatsächlich dieses drollige Friedhof-Design verpa ß t hatten. Das war lächerlich, bestätigte jedoch nur, wie tief mir der Alptraum unter die Haut gegangen war. Dann ließ der Schreck allmählich nach. Es hatte sich nichts verändert. Das Schlafzimmer sah immer noch so aus, als sei es das preisgekrönte Ekelkunstwerk eines schizophrenen Environment-Künstlers.
Obwohl mein Kreislauf inzwischen wirklich zu Genüge angeregt war, folgte ich der leidigen, aber unentbehrlichen Gewohnheit der Muskelpflege, erhob mich gähnend, machte den altvertrauten Buckel und reckte und streckte mich kraftvoll mit den Vorder- und Hinterbeinen 4 . Ich wollte soeben das Putzprogramm anschmeißen, als ein hä ß licher Kopf sich durch die einen Spalt breit offenstehende Balkontür hineinzwängte.
Das
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