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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Verfassung. Auf dem Gipfel des Felsens saß der Schwarze Ritter auf seiner Dogge und glotzte mich mit leuchtenden Phosphoraugen durchdringend an. Er war vollkommen unbeweglich, und der Schein des Mondes verwandelte ihn in einen mittelalterlichen Kupferstich, dem nur noch die aufgerichtete Lanze und der Schild fehlten. Den jungfräulichen Schlaf hatte wohl doch ein Traum verseucht, und zwar einer von der widerlichsten Sorte. Gleich würde das Schreckgespenst herabsteigen und mir den Kopf abreißen. Wirklich ein netter Traum, und so unvorhersehbar. Aber der verrückte Hugo und der verrückte Hund stiegen den Felsen nicht hinab. Sie standen wie ein Reiterdenkmal einfach da, verharrten in Reglosigkeit und starrten. Die langen Zotteln ihres durch Regen und Sturm strubbelig gewordenen Fells wehten im Wind, und ihrer Haltung war etwas Gebrochenes anzumerken, als habe das immerwährende Morden aus ihnen Aussätzige gemacht, die verflucht waren, immer und ewig durch die Wildnis zu irren. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Das einzige Irritierende lag in den magisch glühenden Augen des Ritters. Die wurden nämlich keineswegs vom Pesthauch des einsamen Dämons umweht, sondern zeugten im Gegenteil eher von einer quirligen Verschrobenheit, geradeso, als gehörten sie einem komischen Kauz.
    Da ich aber das alles ja nur träumte, brauchte ich an diese Ungereimtheiten keinen Gedanken zu verschwenden. Die Augenlider fielen mir wieder zu, und ich wiegte mich mit Hilfe des erwähnten Selbstbetrugs erneut in den Schlaf. Im übrigen trösteten mich die Worte meines geliebten Schopenhauer, die da lauteten: »Die Welt ist ein Ort der Buße, also gleichsam eine Strafanstalt. Zu den Übeln einer Strafanstalt gehört denn auch die Gesellschaft, welche man daselbst antrifft.« Tja, da durfte man sich nicht wundern!

Fünftes Kapitel
     
     
    Als ich erwachte, hatte sich der Schwarze Ritter in Luft aufgelöst, was die Traumtheorie fadenscheinig untermauerte. Es war jedoch immer noch tiefe Nacht, und der Felsen vor meinen Pfoten lag da wie ein gestrandeter Wal. Ein Körpercheck bestätigte, daß ich zwischenzeitlich weder von einem Monster geknutscht noch von einem Jäger zu einem stark durchlöcherten Bettvorleger umfunktioniert worden war. Vergelt's Gott! Ich fühlte mich erfrischt und des klaren Denkens wieder einigermaßen mächtig. Doch mit dem Verstand kehrte auch das geisterhafte Hintergrundrauschen des Waldes zurück und als Folge davon die Furcht. Die Furcht, sie war an diesem pechschwarzen Ort wie der Schatten einer Fledermaus, die ganz langsam ihre Flügel ausbreitet. Unwillkürlich drängten sich mir die Grauensbilder der Abenddämmerung auf. Der leere Hof, die geköpften, verstümmelten Brüder und Schwestern, die Spur der Leichen bis hinunter zum Bach - die Mörderpranke! Nein, ich durfte diese schauderhaften Erinnerungen nicht aufsteigen lassen, nicht jetzt. Und auf gar keinen Fall durfte ich die Zeit mit langwierigen Analysen der Geschehnisse verplempern. Zwar besaß mein Geschlecht keine natürlichen Feinde, doch mochte ich bezweifeln, ob ein umherstreunender Bär mit knurrendem Magen sein Zoologiestudium ordentlich absolviert hatte. So entschied ich mich für eine Ochsentour durch den schummerigen Irrgarten, bis ich das gelobte Land der Futterdosen mit akkurat aufgeführtem Verfallsdatum endlich gefunden haben würde. Amen!
    Ein Uhu begleitete meine unbeholfenen Kraxeleien auf dem Gestein mit spöttischem Raunen, vermutlich weil er von seiner hohen Warte aus sehen konnte, daß der Schwarze Ritter keineswegs verschwunden war, sondern auf der anderen Seite des Felsens mit einer Serviette um den Hals schon sehnsüchtig auf mich wartete. Aber als ich den Gipfel atemlos keuchend erreicht hatte, wurde ich mit einer ganz anderen Überraschung konfrontiert. Hinter der Armee von Tannen erspähte ich nämlich die verheißungsvoll leuchtenden Fenster eines Knusperhäuschens, welches der Mond mit einem Silberschimmer versah. Es war zweistöckig und im Stil einer Blockhütte erbaut. Kein Zweifel, daß der Bewohner bei der Errichtung der Bude selbst Hand angelegt hatte, denn so viel Liebe zum romantischen Detail hätte keine Baufirma aufgebracht. Doch welcher asketische Sonderling wohnte mitten im Wald, so weitab von allen zivilisatorischen Annehmlichkeiten?
    Obwohl mein Bedürfnis nach menschlicher Beschaulichkeit einstweilen gedeckt war, konnte ich es nicht über mich bringen, einen großen Bogen um die Hänsel-und-Gretel-Hütte zu

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