Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
entlangstreifte. Eine gewaltige Masse, die auf vier stämmigen Füßen wandelte, und ein auf- und abwiegender Kopf von der Größe eines Elefantenschädels. Natürlich vergrößerte der Schatteneffekt die Ausmaße, und das Monster wirkte mächtiger, als es wirklich war. Theoretisch hätte der Schreck also im nächsten Moment wieder nachlassen können, wenn ich das Original zu Gesicht bekommen hätte. Doch bevor es dazu kam, sah ich noch etwas anderes: Hinter dem Vorsprung des Schuppens trat die Vorderpranke des Untiers hervor, und dieser kleine Ausschnitt genügte, um mir neben dem Blut in den Adern das Hirn gleich mit gefrieren zu lassen. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein mordsmäßiger Apparat, wie geschaffen fürs Töten. Trotz des dürftigen Dämmerlichts erkannte ich das gelblichbraune, mit dunklen Flecken gezeichnete Fell der Klaue und die messerscharfen, Brecheisen ähnelnden Krallen. Sie besaß den Umfang eines starken menschlichen Armes und die Wendigkeit einer perfekten Killermaschine. Ein Monster, entlaufen aus einem Genlabor, oder eine neuartige Schöpfung der Evolution, die angetreten war, um meinesgleichen mit den Mitteln des Massenmordes auszulöschen - eine intelligentere Erklärung wollte mir in dieser prekären Situation nicht einfallen.
    Für Erklärungen schien der Zeitpunkt sowieso denkbar ungeeignet, verspürte ich doch kaum die Sehnsucht, den Eigentümer dieser Bombenpranke kennenzulernen. So zog ich mich blitzschnell hinter die Holzwand zurück, bevor der Fremdling in Erscheinung treten konnte. Danach schlich ich so leise wie möglich entlang der vielen Leichen die Böschung hinunter, überquerte schwimmend den Bach und lief dann zum gegenüberliegenden Hügelwald.
    Als ich ihn außer Atem endlich erreichte und eine Fortsetzung der Flucht bei diesem Turbotempo ohnehin nicht mehr in Frage kam, schaute ich mich endlich um. Doch von hier oben machte das Anwesen im Tal denselben friedlichen Eindruck wie von der anderen Seite vor meinem Abstieg. Drei abgewirtschaftete Bauten, ein Hof, ein sich malerisch windender Bach: ein trügerisches Idyll, aber später war man ja immer klüger. Als einziger Unterschied zu vorhin fehlte jetzt das Abendrot, das dem Tal vorhin mit warmen Farben geschmeichelt hatte. Nun kleidete sich der Himmel in Dunkelblau, war gespickt mit den ersten funkelnden Sternen und einem Bilderbuchmond. Ich hatte keinen Grund, mich in Sicherheit zu wiegen, denn vielleicht hatte das Monster meine Witterung aufgenommen und sprach zu sich selbst, während es leise den Hügel heraufkroch: »Ich könnt' schon wieder!«
    Ich drang immer tiefer in den Wald ein, der sich mir jetzt als eine labyrinthische Gruft präsentierte. Und ausgerechnet das unheimliche Rascheln, Knistern, Flattern und Heulen, dessen pure Vorstellung mich in die mutmaßlich sichere Obhut von Menschen getrieben hatte, empfing mich nun wie eine diabolische Sinfonie, in deren schräger Klangwelt ich zu einem schutzlosen Gefangenen geworden war. Allmählich merkte ich, daß meine Schritte immer langsamer und kraftloser wurden. Irgendwie glich ich inzwischen einem Beduselten, dem erst vor der Kaschemmentür einfällt, daß zwischen den zehn Bieren ja auch noch diese acht Wodkas lagen. Ich fühlte mich restlos ausgelaugt, todmüde und bar jeder Reserve, kurz, der Tank war leer. Meine Pfoten stolperten über Äste, rutschten immer häufiger auf dem Laub aus. Das ehemals so scharfe Sehvermögen brachte es nur noch fertig, schemenhaft eine Arabeske aus Pflanzen- und Baumgewühl und dahinter das Sternenzelt mit dem ewig stummen Mond zu erspähen. Schließlich stieß ich auf einen steil ansteigenden und wegen seiner ausgedehnten Breite kaum zu umgehenden Felsen. An dessen Fuß brach ich endgültig zusammen und gab keine Regung mehr von mir. Es war mir alles so unendlich gleichgültig geworden. Sollten sie mich doch in eine bessere Welt überführen, die Schwarzen Ritter, die riesenprankigen Monster, die Jäger mit ihren High-Tech-Gewehren. Wenn drüben nur die Wonnen des Schlafes existierten, sollte es mir recht sein. So eine dolle Kirmes war das Leben auch wieder nicht. Ich schloß die Augen und schlief augenblicklich ein ...
    ... Wie von einer fernen Detonation wachgerüttelt, riß ich die Augen wieder auf und blickte voller Spannung zu dem Felsen empor. Der Mond war eine gute Strecke von links nach rechts gewandert, also hatte ich ein paar Stündchen im Land des Schlafes verbracht, allerdings traumlos und in bleierner

Weitere Kostenlose Bücher