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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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noch am Türpfosten eine scharfe Linkskurve in den Flur einzuschlagen und konnte durch die hoffentlich offenstehende Wohnungstür ins Freie fliehen.
    Wir sind wahrscheinlich die besten Beschleuniger der Welt. Proportional zu Körpergröße und -gewicht kommt da nicht mal der flotteste Ferrari mit. So legte ich einen Höllenstart hin, der alles sich Bewegende um mich herum wie die schlappeste Zeitlupenaufnahme erscheinen ließ. Aber Geistesblitze sind bekanntlich etwas schneller. Und während der Millisekunde, die ich für die Strecke bis zu Gustavs Beinen brauchte, blitzten in meinem Gedächtnis ein paar aufschlußreiche Schnappschüsse aus der jüngsten Vergangenheit auf, und wie Schuppen fiel es mir von den Augen ...
    Die Hexe war nicht Gustavs Mutter. Auch nicht die Preisrichterin für »Die Kralle des Jahres«, die gekommen war, um mir einen Pokal zu überreichen. Erinnerungen, Erinnerungen, Erinnerungen ... War nicht mein ach so vereinsamter Freund vor einigen Wochen zu unchristlicher Nachtzeit aus der eine Straße weiter gelegenen Weinpinte zurückgekehrt, sternhagelvoll, rücksichtslos laut einen schwülstigen Walzer vor sich hinträllernd, natürlich vollkommen falsch, und, sieh an!, nach Spuren eines ekelerregenden schweren Frauenparfüms riechend? Sonst besuchte er das Lokal selten, und wenn, dann kehrte er stets vor Mitternacht zurück, da der traurigste Trinker der einsame Trinker ist. Diesmal war er außerdem so merkwürdig durch die ganze Wohnung stolziert, irgendwie schwärmerisch, und hatte das schwebende Gehen einer Primaballerina nachgeahmt, was mich angesichts seiner faßartigen Statur beinahe in einen Lachkoller getrieben hatte. Bevor er ins Bett sackte und wie ein morphiniertes Baby mit seligem Lallen einschlummerte, entkleidete er sich in der Manier von größenwahnsinnigen Baronen, indem er die Brust schwellte und Hemd, Hose, ja selbst Unterkleidung im Zimmer umherwarf (die Unterhose landete auf dem Gipsabguß von Nofretete). Ich hatte dieses Verhalten dem Teufel Alkohol zugeschrieben, obwohl Gustav solcherlei Selbsterniedrigungen nie derart auf die Spitze getrieben hatte.
    Und hatte er nicht während der folgenden Wochen mit weltentrücktem Blick und unter Begleitung von sehnsuchtsvollen Seufzern stundenlang in seinem Arbeitszimmer gehockt und Briefe auf handgeschöpftem Büttenpapier entworfen? Ich hätte mich fragen sollen, an wen diese Briefe adressiert waren. Denn nachdem er sie in Kuverts gesteckt hatte, leckte er die Gummierung mit solcher Andacht, als wolle er den Dingern Leben einhauchen. Es hatte auch Telefonate gegeben, o ja. Aber wie üblich hatte ich weggehört, da mich seine widerliche Angewohnheit, während des Telefonierens alle naselang die Füllausrufe »Ach was!« und »Oha!« kundzutun, an den Rand eines Mordes brachte. Trotzdem hätte es mich beunruhigen sollen, daß bei einigen dieser Gespräche seine Stimme Kapriolen machte, die den gewohnten Brummton ins lachhaft Samtene, ja Schmachtende veränderten, und daß Wörter wie »du« oder »wir« unheilschwanger gedehnt über seine Lippen kamen. Und als Krönung meiner Ignoranz wäre da die augenfälligste Veränderung zu erwähnen, nämlich Gustavs vollkommen neue Gewandung, die ich irrtümlich als die Verschärfung seiner bereits seit 1985 spürbaren Senilität interpretierte. Mal handelte es sich um einen kanariengelben Sommeranzug, mal um Seidenhemden mit Puffärmeln - gewiß allesamt denkwürdige Höhepunkte der Geschmacklosigkeit, aber gerade die Vernachlässigung dieser Indizien war ein Armutszeugnis für meinen als analytisch gerühmten Verstand.
    Jetzt hatten wir den Salat: Der alte Esel hatte sich verliebt! Und nicht genug damit: Er ließ es sogar zu, daß diese Schlampe den Tempel unserer einst scheinbar ewig währenden Zweisamkeit entweihte. Eifersucht? Keine Spur! Doch erkannte ich in diesem trostlosen Augenblick, daß es zwischen uns nie wieder so wie früher sein würde.
    Gustav versuchte verzweifelt, mich zu fangen, als ich unter seinen Beinen hindurchschlüpfte. Das war wohl kaum ernst gemeint, da sein gigantischer Bauch, der ihn bei jeder Havarie als Rettungsblase garantiert über Wasser halten würde, solch fixe Reaktionen unmöglich zuließ. Ich bin ihm entwischt, huschte es mir durch den Kopf, bevor ich um die Ecke bog, und weiter, traurigerweise für immer und ewig.
    Das Letzte, was ich dann sah, war ein leuchtender Berg. Er bestand aus aufeinandergestapelten Aluminiumkoffern mit Welterfahrenheit

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