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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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unsereinem anempfohlen. Auch wir sollten jetzt durch sinnlose Leibesübungen das Paradies auf Erden erlangen, vor allem aber wie ein wandelndes Muskelrelief daherkommen. Gesund und übelgelaunt wie sie sollten wir durchs Leben hecheln, gleich einem Affen im Kokainrausch durch akrobatische Gelenkigkeit glänzen und wenn möglich hundert Jahre alt werden, ohne die jugendliche Spritzigkeit zu verlieren, um zuletzt während eines Marathonlaufs mit einem Lächeln um die Mundwinkel das Zeitliche zu segnen. Ja, all die Magazine und Fernsehkanale waren voll, um nicht zu sagen verstopft, mit diesen sporttreibenden Vollidioten, die sich in ihrer Bauchansatz-Paranoia die wenigen verbleibenden Erdentage mit kindischer Hampelei versauten. Wie jedoch ausgerechnet jemand wie Gustav, der selber etwa so sportlich war wie ein Reiterdenkmal (und auch so viel wog!), darauf kam, mir, dem Windschnittigen, einen Auslauf zu diktieren, blieb mir ein Rätsel. Es bereitete mir schon einige Mühe, die Quantenmechanik zu verstehen – aber die Menschen ...
    Also gut, dann eben ein wenig die Beine vertreten. Am besten ganz auffällig. Storchengleich gestelzt hin- und herspazieren, in diesem und jenem Winkel neugierig schnuppern, vielleicht einen kleinen Spurt hinlegen, als wolle man mitten in der Großstadt eine Thomsongazelle reißen, jedenfalls eine artgerechte Show hinlegen, weil man ja höchstwahrscheinlich von dem mehrfachen Olympiasieger da hinten mit Argusaugen beobachtet wurde. Während ich auf der Terrasse mühsam durch die mehrere Zentimeter hochgewachsene Schneeschicht stakste, riskierte ich einen Blick zurück auf das Toilettenfenster.
    Der Kerl war weg! Was bedeutete, daß er mir als Disziplin »Ausdauersport« zugedacht hatte. Was weiter bedeutete, daß ich mir die nächste halbe Stunde in dieser Eiseskälte tatsächlich den Allerwertesten abfrieren und mich allmählich in einen Schneemann verwandeln konnte, bis ich wieder in die warme Stube hinein und am Abendmahl teilnehmen durfte. In diesem Moment der bitterkalten Erkenntnis hätte ich Gustav, ohne mit der Wimper zu zucken, auf eine Nordpolexpedition geschickt – und zwar nackt!
    Ich wandte mich enttäuscht ab und schaute mich um. Das Wintermärchen, welches ich bis vor einigen Minuten noch aus einer warmen Perspektive genossen hatte, wollte mir nun so gar keine Freude mehr bereiten. Von meiner erhöhten Plattform aus hatte ich trotz des Schneegestöbers einen guten Überblick über die verschachtelte, wie schmutziges Neon glimmende Gartenlandschaft gehabt. In den Niederungen angelangt, war sie nun den kunstvollen Zuckergußschnörkeleien eines Hochzeitskuchens nicht unähnlich. Rechter Pfote breitete sich vor mir das Innere des fast unendlich scheinenden Karrees aus, das aus den Rückfronten der alten Gründerzeitgebäude bestand. In zahllosen Fenstern waren die Lichter angegangen und dämmerten in der Ferne in warmen Farbtönen. Direkt vor meiner Nase die aus verwitterten Ziegelsteinen zusammengesetzte, fensterlose Längsseite des Nachbargebäudes, im Anschluß an einen sehr kleinen verwahrlosten Garten. Das einzige, was mich von meiner Verärgerung etwas ablenkte, war das immer wieder überraschende Phänomen, daß der Schneemantel wie durch einen Zaubertrick sämtliche Geräusche schluckte und quasi das Dauerrauschen der Stadt verschwinden ließ.
    Ich beschloß, weil mir nichts anderes einfiel und weil ich es immer so tat, einfach im Zickzack auf den Gartenmauern entlangzuspazieren, vielleicht hundert Meter und wieder zurück, um mich danach als lebendige Anklage vor unserem Toilettenfenster zu postieren. Die Kälte machte mir eigentlich nicht besonders viel aus, allein der abrupte Wechsel von meiner indischen Gemütslage zu der arktischen störte mich. (1) Obwohl meine Pfoten sich tief in den Schnee eingruben, kam ich nach einigen hastigen Sprüngen über Mauerwinkel gut vorwärts. Der Schneeschleier behinderte ein wenig die Sicht, aber da ich mich in diesem Setzkastenmuster exzellent auskannte, bestand keine Gefahr eines Fehltritts. Ich blickte von oben auf die Gärten. Verrostete Grills, häßliche Gartenmöbel aus Plastik und wunderschöne Wandbrunnen glichen sich durch die weiße Pracht ästhetisch an. Alles strahlte einen unvergleichlichen Frieden aus, und wiewohl ich mich innerlich immer noch weigerte, meinem Rausschmiß etwas Positives abzugewinnen, legte sich der Groll gegen Gustav mehr und mehr. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, sich vor dem

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