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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Abendessen noch ein wenig Bewegung zu verschaffen.
    Hinzu kam, daß ich durch die geballte Frischluftzufuhr schier halluzinativem Wunschdenken verfiel. Ich bildete mir nämlich allen Ernstes ein, es würde mir bei meinem Spaziergang jene Schöne über den Weg laufen, auf die ich seit dem Sommer ein Auge geworfen hatte. Sie hieß, wie ich über Dritte erfahren hatte, Fabulous und war eine Tiffany-Dame. Tiffanys sind langhaarige Burmas, die auf elegante Weise den Körperbau einer Orientalisch Langhaar mit einem üppigen, seidigen Fell vereinigen. Welch eine Diva! Verwuscheltes Fell in einem warmen, zobelbraunen Farbton, lange, schlanke Beine, buschiger Schwanz, sanft gerundete, weit auseinanderstehende Ohren und leicht schräggeschnittene Augen, die im satten Goldton glühten. Wäre Fabulous eine Menschenfrau gewesen, so würde sie in einem verruchten dunklen Kleid mit Federboakrause stecken, fingerlose Spitzenhandschube tragen und zwischen zwei Fingern eine lange Zigarettenspitze halten.
    Obwohl ich in erotischen Dingen kein Waisenknabe bin und, ohne mich selbst loben zu wollen, auf das andere Geschlecht in der Regel gehörigen Eindruck mache, hatte ich mich im Sommer nicht getraut, ihr nahezutreten. Ich muß gestehen, daß auch von ihrer Seite nicht gerade mit dem Zaunpfahl gewunken wurde, um mich zur Kontaktaufnahme zu bewegen. Ein vielsagender Augenaufschlag von ihr aus der Ferne, während sie sich auf einem Dach sonnte, ein plötzlich einsetzendes nervöses Putzritual meinerseits, wenn sie mich auf der gegenüberliegenden Mauer beim Vorbeigehen streifte, dies war mehr oder weniger die einzige »Tuchfühlung« zwischen uns gewesen. Und doch war die Liebe in mir von Tag zu Tag gewachsen, bis die immer kälter werdende Witterung auch derlei flüchtigen Begegnungen ein Ende gesetzt und meiner Liebesglut eine Auszeit gegönnt hatte. Ich wußte jedoch, daß ich Fabulous mit Fell und Schnurrhaaren verfallen war und bei ihr im Frühjahr eine heftige Offensive des Liebeswerbens starten würde.
    Während ich mit solcherlei Tagträumen beschäftigt war, hatte ich die Zeit völlig vergessen. Ich hatte keine Ahnung, wie weit ich schon ins Revier vorgedrungen war. Jedenfalls wurde es langsam Zeit, nach Hause zurückzukehren. Mein Rücken und mein Kopf waren mittlerweile von einer ansehnlichen Schneeschicht bedeckt. Außenstehende mußten mich für einen zu klein geratenen Schlittenhund halten.
    Ich machte auf der Mauer halt, wollte mich auf dem Pfotenabsatz umdrehen – da erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Nichts Aufregendes, bloß ein weiterer Wandbrunnen. Aber was für einer! Ich blickte von meiner hohen Warte aus in einen ausgedehnten Ziergarten, dessen grüne Herrlichkeit man jetzt angesichts des lückenlosen Schneeüberzugs nur erahnen konnte. Unförmige, bauschige Gebilde in Weiß deuteten auf akkurat gestutzte Pyramidenbäume, schwungvoll angelegte Hecken und Blumenrabatten und eine romantische Laube im Zentrum. Nicht anders verhielt es sich mit dem Wandbrunnen. Er war an der Stirnmauer des Gartens angebracht, wahrscheinlich bereits beim Bau des glanzvollen Gründerzeitgebäudes, welches ungefähr dreißig Meter entfernt in völliger Dunkelheit schlummerte. Ein kunstsinniger Beobachter wie ich konnte auch unter einer Schneedecke das in Form einer stilisierten Muschel gestaltete Becken, die als maurischer Hufeisenbogen gemeißelte Deckseite und den klobigen Wasserhahn ausmachen. Was mir jedoch ins Auge sprang, war das überdimensionierte, statuenartige Relief zwischen Hahn und Becken.
    Es handelte sich um das Porträt eines Artgenossen in Lebensgröße. Er schwebte in der Haltung eines männchenmachenden Hundes, also senkrecht mit gestreckten Hinterpfoten und leicht angewinkelten Vorderpfoten, vor der Decke des Wandbrunnens. Selbstverständlich ist »schweben« der falsche Ausdruck, denn mit irgend etwas mußte er ja von hinten an der Mauer befestigt sein. Ich fand das Werk sehr beeindruckend, obwohl durch den Schnee alles nur umrißhaft zu erkennen war und das trübe Licht ein übriges tat. Wieso hatte ich dieses pittoreske Kleinod nicht schon bei früheren Spaziergängen bemerkt? Vor allen Dingen an schneelosen Tagen, an denen es sich mir ganz unvermittelt gezeigt haben mußte? Trotz des Hungers, der mich allmählich zu quälen begann, und der zunehmenden Heftigkeit des Schneefalls beschloß ich, die Sache unter die Lupe zu nehmen.
    Ich sprang von der Mauer in den Garten und stapfte in Richtung des Wandbrunnens. Schon

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