Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Lehmboden lagen.
    Bewaffneten Widerstand hatten sie nie in Erwägung gezogen; dazu fehlte ihnen die Kraft und auch die Aussicht auf Erfolg. Statt dessen saßen die Jakobiten da und warteten ab, welches Schicksal die Engländer ihnen zugedacht hatten.
    Er war ein Major in einer gebügelten Uniform und mit frisch gewachsten Stiefeln. Kurz blieb er stehen, um die Männer im Raum zu betrachten, dann trat er, gefolgt von seinem Leutnant, ein.
    »Ich bin Lord Melton«, sagte er. Unschlüssig blickte er sich um, als suchte er einen Anführer, an den er seine Worte richten konnte.
    Duncan MacDonald sah gleichfalls suchend in die Runde. Dann stand er langsam auf und neigte den Kopf. »Duncan MacDonald von Glen Richie«, sagte er, »und andere Soldaten Seiner Majestät König James.«
    »Das hatte ich vermutet«, entgegnete der Engländer trocken. Zwar schien er erst Anfang Dreißig, doch er bewegte sich mit dem Selbstvertrauen eines erfahrenen Soldaten. Gründlich musterte er einen Mann nach dem anderen, griff dann in seine Tasche und zog einen zusammengerollten Bogen heraus.

    »Hier ist ein Befehl von Seiner Gnaden, dem Herzog von Cumberland«, erklärte er, »der mich ermächtigt, jeden Mann, der an diesem verräterischen Aufstand teilgenommen hat, auf der Stelle hinrichten zu lassen.« Erneut blickte er über die Männer im Raum. »Gibt es hier jemanden, der behauptet, an dem Verrat nicht beteiligt gewesen zu sein?«
    Bitter lachten die Soldaten auf. Nicht beteiligt, hier, am Rand des Schlachtfelds? Wo in ihren Gesichtern noch der Ruß des Schwarzpulvers klebte?
    »Nein, Mylord«, erwiderte MacDonald mit einem leisen Lächeln. »Alles Verräter. Wird man uns hängen?«
    Über Meltons Gesicht huschte ein Ausdruck des Ekels, doch dann wurde es wieder starr. Obwohl er schlank und zartgliedrig war, wirkte er respekteinflößend.
    »Ihr werdet erschossen«, entgegnete er. »Ich gebe euch eine Stunde, um euch vorzubereiten.« Zögernd warf er seinem Leutnant einen Blick zu, als fürchtete er, vor seinem Untergebenen zu großmütig zu erscheinen. »Wenn ihr Schreibmaterial braucht«, fügte er dann aber doch hinzu, »um einen Brief zu verfassen, wird der Schreiber meines Regiments euch zur Seite stehen.« Kurz nickte er MacDonald zu. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
    Die Stunde war bitter. Einige machten von dem Angebot Gebrauch und kritzelten verbissen. Andere beteten leise oder saßen einfach da und warteten.
    MacDonald hatte für Giles McMartin und Frederick Murray um Gnade gebeten und dabei ins Feld geführt, daß sie noch nicht einmal siebzehn und daher nicht in gleichem Maße verantwortlich seien wie die Älteren. Da das Ansinnen abgelehnt worden war, saßen die beiden, kalkweiß im Gesicht, an der Wand und hielten sich die Hand.
    Ihr Los bekümmerte Jamie zutiefst - ihres und das der anderen, der treuen Freunde und tapferen Kämpfer. Doch wenn er an sich selbst dachte, spürte er nur Erleichterung. Keine Sorgen mehr und keine Pflichten. Für seine Männer, seine Frau, sein ungeborenes Kind hatte er alles getan, was in seiner Macht stand. Nun sollte sein körperliches Elend möglichst bald ein Ende haben, und er war dankbar für den Frieden, den er dann finden würde.

    Mehr der Form halber denn aus einem echten Bedürfnis heraus schloß er die Augen und begann um Vergebung seiner Sünden zu beten. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Es war zu spät, um Abbitte zu tun.
    Würde er Claire gleich finden, wenn er tot war? Oder, wie er vermutete, zu einer Zeit der Trennung verdammt sein? In jedem Fall würde er sie wiedersehen; an diese Überzeugung klammerte er sich fester als an alle Glaubenssätze der Kirche. Gott hatte sie ihm gegeben, Gott würde sie wieder zusammenführen.
    Anstatt zu beten, beschwor er vor seinem inneren Auge Claires Gesicht herauf, die Linie ihrer Wangen und Schläfen, die breiten, hellen Brauen, die ihn immer zu einem Kuß mitten zwischen die klaren, bernsteinfarbenen Augen gereizt hatten. Er sah ihren Mund vor sich, erinnerte sich an die volle, weiche Kurve, seinen Geschmack und das Gefühl, das er ihm gegeben hatte. Die Gebete, das Kratzen der Federn, das leise, erstickte Schluchzen von Giles McMartin nahm er kaum noch wahr.
    Am Nachmittag kehrte Lord Melton zurück. Diesmal begleiteten ihn nicht nur sein Leutnant und ein Schreiber, sondern auch sechs Soldaten. Wieder blieb er an der Tür stehen, aber MacDonald hatte sich bereits erhoben, bevor Melton zum Sprechen ansetzen

Weitere Kostenlose Bücher