Fessel Mich
Von meinem blinden Vertrauen, meiner ewigen Nachgeberei und meinen ehemaligen Freunden – denn das waren sie nach dieser Aktion eindeutig.
»Nun zieh’ nich’ so ein Gesicht, Flo«, mokierte sich Freddy und ließ sich ebenfalls eine Handschelle ans rechte Handgelenk verpassen. »Is’ ja nich’ so, als würdest du hier in’ Knast wandern, okay?«
»Eben.« Thomas wackelte mit seiner Handschelle vor meinem Gesicht herum. »Denn da haben wir dich gerade rausgeholt. Du kannst dich doch nicht ewig verkriechen.«
»Schon gar nich’ wegen so ’nem Penner«, ergänzte Freddy brüsk und schob mich dann vor sich her in Richtung Hauptraum des ‚Palace‘ , ohne mir die Gelegenheit zum Protest zu geben.
Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er keine Lust mehr auf meine ewig gleiche Antwort hatte und die Diskussion einfach für beendet erklärte. Im Hauptraum nämlich war es wegen der lauten Musik absolut unmöglich, sich einigermaßen vernünftig zu unterhalten. Aber das war in einer Diskothek ja auch eher zweitrangig. Ganz besonders, wenn mal wieder die berühmt-berüchtigte ‚Fessle mich‘ -Party stieg, die seit Jahren jeden Schwulen im Umkreis von sechzig Kilometern ins ‚Palace‘ pilgern ließ.
Ich wusste ganz genau, warum ich diese besondere Party – abgesehen von meinem ersten und einzigen Besuch vor einem halben Jahr – strikt gemieden hatte. Denn theoretisch hätte sie genauso gut ‚Fick mich‘ -Party heißen können, weil ihr einziger Zweck darin bestand, jeden Gast für die Nacht mit einem oder mehreren Beischlafpartnern zu versorgen. Und dafür war ich irgendwie nicht der Typ. Nicht was den Beischlaf an sich anbelangte, sondern die gezielte Suche nach einem namen- und bedeutungslosen Fick. Dafür hatte ich einfach kein Händchen.
Thomas’ Sache war das normalerweise auch nicht, aber Freddy hatte ihm wahrscheinlich den Floh ins Ohr gesetzt, dass ich allein in meiner Wohnung irgendwann noch verkalken würde, wenn ich nicht langsam mal wieder unter Leute käme – und Freddy meinte das leider genauso wörtlich, wie es klang. Er hielt sinnfrei Rumvögeln für eine der besten Therapien für nahezu jedes Problem. Und für ein lustiges, entspannendes Hobby, dem er so oft wie möglich nachgehen wollte.
Im Hauptraum war es, wie erwartet, brechend voll. Die Tanzfläche war nicht mehr vom normalen Geh- und Stehbereich zu unterscheiden und man konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen, weil überall getanzt und gesprochen wurde. Viele der Anwesenden hatten sich bereits mit ihrer losen Handschelle an einen anderen Kerl gekettet und waren wahlweise sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig aufzufressen oder den anderen zu zeigen, dass sie absolut keine Hemmungen hatten, sich vor tausend anderen Augenpaaren zu befummeln. Wenn man bedachte, dass es für jeden eingefangenen Traummann einen Gratisdrink gab, vielleicht gar nicht so verwunderlich.
Falls man allerdings keinen Spaß an der ganzen Sache hatte, wurde man die Handschellen ganz einfach wieder am Ausgang los, wenn man ging, oder aber an der so genannten Schlüsselbar, an der auch die Gratisdrinks abzuholen waren.
Dass ich mich nicht klammheimlich aus der Affäre stehlen konnte, wurde mir spätestens dann klar, als Freddy und Thomas mich schnurstracks zu einer anderen Bar rüberschleiften. Wahrscheinlich würden sie mich den ganzen Abend lang mit Argusaugen überwachen – was für eine erquickende Vorstellung! Meine Flirtfähigkeiten waren ohnehin nicht besonders ausgeprägt und ich konnte getrost darauf verzichten, dabei auch noch beobachtet zu werden.
Wenigstens bestellten die beiden zum Einstieg für uns alle eine Runde Tequila, auch wenn das die Chancen auf einen guten One-Night-Stand rapide sinken ließ. Bei der letzten ‚Fessle mich‘ -Party war es in etwa genauso abgelaufen und am Ende hatte ich mir reichlich betrunken einen der Gogo-Tänzer aufgerissen.
Na gut, vielleicht nicht irgendeinen , aber das spielte inzwischen auch überhaupt keine Rolle mehr, weil Rick von mir offensichtlich schon bekommen hatte, was er wollte – auch wenn ich daran nur noch sehr vage Erinnerungen hatte.
Und genau aus diesem Grund wollte ich diese Erfahrung nicht wiederholen.
Trotzdem stand ich hier mit einem Tequila vor meiner Nase, einer Handschelle am rechten Handgelenk und zwei Freunden an meiner Seite, die mir irgendwas Heißes für die Nacht aufreißen wollten. Man musste kein Genie sein, um zu bemerken, dass da irgendetwas in meiner Abendplanung
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