Feuersteine
gemacht.
„Alles in Ordnung“, versicherte sie ihm lächelnd und ging weiter. Ihr war noch immer kalt und sie steuerte den nächsten Glühweinstand an, um sich vor allem die Hände an dem heißen Becher zu wärmen.
Sie trank nie zu viel, denn vor ihr lag schließlich noch eine zweistündige Heimfahrt. Vorsichtig nahm sie den Plastikbecher in ihre behandschuhten Hände. Die Wärme drang angenehm durch die Wolle und der wohlige Geruch nach Zimt, unterstrichen von einem Hauch Orange, mischte sich mit der feinen Schärfe des Alkohols. Aischa nippte, ließ die dunkelrote Köstlichkeit zufrieden über ihre Lippen perlen.
Glühwein gehörte zu einem richtigen Weihnachtsmarkt dazu. Wie jeder der tausend wohlbekannten Gerüche, wie das Plärren der Kinder, die weihnachtlichen Lieder, der Duft von Räucherkerzen. Wie die Erinnerung an jenen Weihnachtsmarkt, den sie mit Frank besucht hatte.
Es war ein kleiner Stand gewesen, beinahe versteckt zu nennen. Frank hatte zu viel Glühwein getrunken, war ausgesprochen albern gewesen, wie er es immer war, wenn er dem Alkohol zu gut zusprach. Er hatte sie mit sich zu dem geheimnisvollen Stand gezogen.
„Was gibt es denn hier Schönes?“, hatte er gefragt. „Ich muss wissen, ob es mit meiner wilden Schönheit mithalten kann.“ Im Komplimenteverteilen war er immer sehr gut gewesen. Frank konnte schmeicheln, wusste, wie er mit Worten Leute becircen konnte. Auch bei ihr hatte sein Charme, gepaart mit seinem attraktiven Äußeren, gewirkt.
Aischa hatte gelächelt und zu einer Antwort angesetzt, da hatte diese Frau ihren Blick gebannt. Es war ein eigenartiger Moment gewesen, untermalt von den Klängen eines „Rocking around the Christmas Tree“ einen Stand weiter. Sie hatte sich aus dem Stuhl erhoben, war nach vorne ins Licht getreten und hatte sie angelächelt. Sie, nicht Frank. Während der gesamten Zeit hatte sie nur Aischa angesehen.
„Es gibt viele Schönheiten auf dieser Welt.“ Aischa erinnerte sich genau an ihre Stimme. Weich, melodisch, als ob sie ein Gedicht sprechen würde. „Manche sind sofort zu sehen, manche verborgen, manche muss man aus anderen Augen sehen, um sie zu erkennen“, erklärte sie. Ihre Augen hatten Aischa gefangengenommen und wollten sie nicht gehen lassen. Dieses besondere Braun sog sie in ihren Bann. Ein warmer Farbton, der Ruhe, Geborgenheit, Sicherheit versprach.
Aischa bemerkte winzige Fältchen an den Augenwinkeln, bewunderte die wundervollen Wimpern, die Tiefe ihrer Augen. Ihr Gesicht war nicht extrem schön, ungeschminkt, die Haut gerötet von der Kälte, ein winziger, gerade verheilter Kratzer am Kinn, schmale Lippen, eine gerade Nase und hellbraunes, weich fallendes Haar. Sie trug einen warmen Mantel, unter dem man verschiedene Stoffschichten erkennen konnte. Nicht ihrer Farbe, sondern vielmehr ihrer wärmenden Funktion wegen, ausgewählt und nicht unbedingt kleidsam. Sie trug dicke, dunkelgrüne Handschuhe, die sie nun bedächtig auszog. Schmale Hände kamen zum Vorschein mit kurzen Nägeln, denen man ansehen konnte, dass sie damit arbeitete und sie nicht in einem Maniküresalon behandeln ließ. Sie trug eine Jeans, die zu weit war, um elegant zu sein. Nichts an ihr war besonders auffällig. Bis auf ihre Augen.
„Können Sie Schönheit erkennen, wenn sie Ihnen begegnet?“, fragte sie Frank ernst. Dieser lachte. Mit einer Spur Spott darin – Aischa kannte sein Lachen, welches höflich klang, immer jedoch eine Prise abfällige Häme enthielt. Ihr war nicht zum Lachen zumute. Sie fühlte sich verunsichert, innerlich bebend und zugleich fasziniert.
„Oh schau, Aischa, hier gibt es Steine zu kaufen“, bemerkte Frank mit spöttischem Unterton. Er hob einen halbierten Stein hoch und musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. „Wirklich Steine ...“ Es klang ein wenig ungläubig und Aischa löste ihren Blick von der Verkäuferin und wandte ihn ihrer Ware zu.
Frank hielt einen Feuerstein in der Hand. Die typische, weiß-schwarze Kruste umschloss ein dunkelgefärbtes Inneres und erinnerte sie durchaus an einen unbearbeiteten Edelstein.
„Gewöhnliche Steine“, ließ Frank verlauten, betrachtete ungeachtet seiner Worte die Auslagen jedoch interessiert. Schmuckanhänger aus geschliffenen Steinen in allen möglichen Größen und Formen lagen auf einer Unterlage aus schwarzem Stoff. Manche waren handtellergroß, andere so klein wie ein Daumennagel. Es gab offensichtlich grob bearbeitete Stücke, deren raue Wellen einem urzeitlichen
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