Feuersteins Drittes
Jede Seite, die man bei ihm ablieferte, kommentierte er mit einem Begeisterungsschwall — bestimmt nicht viel mehr als höfliche Routine, aber Balsam auf den Wunden des Zweifels, die das Schreiben in mir schlägt. Wenn er zu einer Lesung kam, stand er am Ende immer neben dem Büchertisch und starrte jeden Besucher so Mitleid erregend an, dass sich keiner an ihm vorbeiwagte, ohne mindestens ein Buch zu kaufen. Und das Beste: Wenn mir irgendwas nicht passte — und das geschah gar nicht so selten — , konnte ich ihn jederzeit, auch in den frühen Morgenstunden, anrufen und beschimpfen.
Das war über Nacht Vergangenheit, und statt der Lobeshymnen von Gerd Haffmans kamen jetzt seltsame Briefe vom Konkursamt Riesbach-Zürich. Es ging um die Rangordnung der Forderung, um die Frage, nach welchem Landesrecht die Verträge zu beurteilen seien, sowie um den »Kollokationsplan nach Art. 219 des Schweiz. Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes«. Zu gern hätte ich darüber gelacht, da auch mein vierundzwanzigbäntliger Brockhaus nicht die geringste Ahnung hat, was »Kollokation« bedeutet, doch dann war der Schreck riesig: Nicht nur würde man wegen der »Nachrangigkeit« der Autorenforderungen niemals Geld für seine Bücher erhalten, auch die Rechte daran wären futsch. Denn man hätte sie ja vertraglich an den Verleger abgetreten, also gehörten sie jetzt zur Konkursmasse, zur freien Verfügung der Amtsherren von Riesbach-Zürich.
Zum Glück endete alles glimpflich: Ich verzichtete feierlich auf jeden Anspruch gegenüber Verlag und Konkursamt und erhielt im Gegenzug die Erklärung, meine Verträge mit Haffmans seien »nichtig, weil unerfüllt«. Ein halbes Jahr hatte der Hickhack gedauert, dann gehörten die Rechte an meinen Büchern endlich wieder mir, und ich konnte mich auf die Suche nach einem neuen Verleger machen.
Im Sommer 2002 lagen Feuersteins Reisen und Feuersteins Ersatzbucb wieder in den Buchhandlungen, in Inhalt und Form identisch mit ihren Vorgängern, nur dass jetzt nicht mehr Haffmans auf dem Umschlag stand, sondern Diana, eine Untergruppe des Heyne-Verlags, der wiederum zusammen mit ein paar anderen Häusern zu Bertelsmann gehört... Ich habe es längst aufgegeben, die Verschachtelungen zu verstehen. Aber ein so riesiges Haus mit so vielen Namen erschien mir als ideale Lösung, aus der Überlegung des gebrannten Kindes heraus: Wenn einer von denen Pleite macht, bleiben ja noch genug andere übrig.
Logisch, dass ich diesem Verlag auch mit dem neuen Buch treu geblieben bin, denn bisher klappt es recht gut: Man macht pünktlich korrekte Abrechnungen, organisiert zuverlässig die Lesungen und zahlt mit echtem Geld. Aber leider gibt es dort niemanden, den ich nachts beschimpfen könnte. Auch nicht tagsüber, zur Bürozeit. Alles nette Menschen, für Teilbereiche zuständig, aber kein Haffmans darunter. Dabei gäbe es so viele klingende Namen in diesem Haus: Random, Bertelsmann, Heyne, Ullstein, List und wie sie alle heißen. Aber keiner davon hat mir je ein Jubelfax geschickt, keiner steht bei den Lesungen in dieser einmaligen Mischung von Kampfhund und Bettler am Büchertisch, und keinen von denen kann ich nachts anrufen und beschimpfen. Nicht mal von Diana habe ich die Telefonnummer, obwohl sie auf jedem Buch vorn auf dem Umschlag hockt.
DAS LOGBUCH
EINER KREUZFAHRT
INS EISMEER
Zwölf Dinge, die ich bisher nicht wusste,
aber auf meiner ersten Kreuzfahrt gelernt habe
1 .
Für reiche Frauen ist es schwer, in Würde zu altern. Für reiche Männer weniger, weil sie vorher meistens schon tot sind.
2 .
Auf dem Schiff wird ununterbrochen gegessen. Aber die Menge, die man vertilgt, ist dennoch erheblich geringer als jene, die man bei Seekrankheit kotzt.
3.
Wenn Sie sich freuen, weil Ihre Kabine 110 2 groß ist, freuen Sie sich zu früh, denn das sind Quadratfuß. Elf Quadratfuß ergeben einen Quadratmeter.
4.
Wenn man auf dem Schiff spazieren geht, kommt man unweigerlich wieder dort an, wo man losgegangen ist. Jetzt verstehe ich, warum Tiere in Gefangenschaft nicht hin und her gehen, sondern immer im Kreis laufen.
5.
Wenn man seekrank wird, darf man das niemandem sagen. Denn sonst bekommt man so viele Heilmittel angeboten, dass man sich zusätzlich auch noch vergiftet.
6 .
Auch auf einem kleinen Kreuzfahrtschiff muss man sich präzise verabreden, weil man sich sonst nicht findet. Oft fürchtete meine Frau, ich hätte meine Drohung wahr gemacht und wäre über Bord gesprungen. Nach einer
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