Fieber an Bord
gegeben, aber da sind noch ein paar arme Kerle, die Hilfe brauchen.« Er wandte sich ab, als der Midshipman schnell zur Achterdeckreling ging. Dann sagte er: »Er wird sich fangen, Captain. Geben Sie ihm nur etwas, in das er sich verbeißen kann.«
Er blickte Bolitho ins Gesicht und bemerkte, daß die Anspannung es wie Schmerz verzerrte. Er hatte nicht eines seiner Worte aufgenommen.
Lakey fragte: »Was befehlen Sie, Sir?«
Bolitho sah an Allday vorbei zur Insel zurück, über der Rauch wie ein Leichentuch hing. »Wir könnten wieder und wieder in diese Bucht einlaufen, ohne am Resultat etwas zu ändern. Bis ...« Er legte die Hände auf den Rücken und preßte die Finger zusammen, bis der Schmerz ihm die Fassung wiedergab. »... Bis die Schäden unreparabel wären. Dann würden wir auflaufen oder sinken, müßten uns ergeben oder alle umgebracht werden.«
Er zwang sich, zu den Matrosen aufzusehen, die in den Wanten bereits zu der Lücke auf enterten, die die verlorene Stenge hinterlassen hatte. Sie bewegten sich langsam, hatten Selbstvertrauen und Willenskraft verloren.
Fast zu sich selbst sagte er: »Der Feind hat die Oberhand.« In seinem Hirn wiederholte eine Stimme hartnäckig: ›Du bist geschlagen ... geschlagen ...‹, bis er glaubte, sein Kopf würde bersten.
»Wir kehren zu dem Schoner zurück und ankern, Mr. Lakey.« Er wandte sich an Borlase. »Ich wünsche eine Liste der Toten und Verletzten. So schnell wie möglich.«
Alle sahen ihn an. Beschuldigend, mitfühlend, haßerfüllt? Er wußte es nicht mehr.
Lakey murmelte: »Zu Befehl, Sir.« Dann mit lauterer Stimme: »Achtet auf das Ruder, ihr verdammten Kerle!« Bolitho ging zur Luvgangway hinüber und holte ein paarmal tief Luft. In einigen Augenblicken würde er wieder in seiner alten Rolle erscheinen: einen geeigneten Plan entwickeln, sein von Narben bedecktes Schiff auf den richtigen Kurs bringen, um sich mit der geringsten Verzögerung wieder mit Herrick zu vereinen. Die Toten bestatten, die Verwundeten versorgen. Sich um die Reparaturen kümmern, den Grund für den Fehlschlag erforschen, gleichgültig, wie schmerzhaft er war.
Aber erst ... Er ließ den Blick über die stille Küste schweifen. Die Hütten waren jetzt ebenso verdeckt wie die falschen Masten. Es war eine grausame Lehre. Was er als seine letzten Augenblicke auf dieser Welt angesehen hatte, mochte jetzt als eine letzte Chance betrachtet werden, einen schrecklichen Fehler auszumerzen. Er zwang sich, den Blick vom Land zu wenden und sein Schiff zu überprüfen, wie um sich selbs t noch mehr zu bestrafen.
Borlase fragte: »Sollen die Geschütze festgezurrt werden, Sir?«
Er nickte. »Lassen Sie dann in der Kombüse Feuer machen, und sorgen Sie dafür, daß die Leute sofort verpflegt werden.«
Er sah zu den baumelnden Enden der Takelage auf, auf die verschmierten Blutspuren auf den Planken der Decks, die in der Sonne schon braun geworden waren. »Es gibt viel zu tun.«
Allday sagte linkisch: »Ich hole Ihnen etwas zu trinken, Captain.«
Etwas in Alldays Ton riß Bolitho aus seiner Depression.
Der bullige Bootsführer fügte hinzu: »Dieser letzte Treffer, Captain. Dabei hat's den armen Noddall erwischt.« Er wandte den Blick ab, unfähig, Bolitho in die Augen zu sehen. »Ich hole Ihnen etwas.«
Bolitho machte ein paar Schritte, zögernd erst und dann plötzlich bedrängt. Der arme wehrlose Noddall. Ergeben und sich nie beklagend, war er trotz seines Entsetzens vor dem Lärm des Kampfes immer bereit gewesen zu dienen, über ihn zu wachen. Es erschien ihm unmöglich, daß er jetzt nicht mehr unten war – mit Händen wie Pfötchen, den Kopf schüttelnd und emsig.
Lakey beobachtete Bolitho grimmig, während Jury, der Bootsmann, in der Nähe seine Arbeit mit den erschöpften, verschmutzten Matrosen unterbrach, um Bolitho prüfend anzusehen. Er hatte Alldays Worte gehört und staunte verwundert, daß der Kapitän trotz dieser Hölle es fertigbrachte, um einen bestimmten Mann zu trauern. Bolitho hob plötzlich den Kopf, und sein Blick fiel auf ihn.
»Ihre Leute halten sich gut, Mr. Jury. Aber doch nicht gut genug, um zu faulenzen, finde ich.«
Jury seufzte auf. Für ihn war es eine Erleichterung, daß Bolitho sich von seinem inneren Schmerz freimachte, gleichgültig, welche Folgen es haben mochte.
Zuviel Mut
»Bajonett pflanzt auf!«
Herrick knirschte mit den Zähnen, um seine Ungeduld zu unterdrücken, als Prideaux seine Marinesoldaten in einer Reihe antreten ließ. Ein
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