Fieber an Bord
Dinge nach. Schließlich wollte er wie Quare Sergeant werden. Verbittert fragte er sich, warum er nicht dem Kommando angehörte, das mit diesem Schwein Prideaux an Land geschickt worden war.
Der für den Großtopp verantwortliche Unteroffizier, der sich mit gespreizten Beinen gegen die schweren Blöcke der Marswanten lehnte, fragte herausfordernd: »Wovon träumst du wieder, Blissett?« Er war ein vierschrötiger Mann namens Wayth und sich seiner Verantwortung in dem Gewirr von Tauwerk, Spieren und Segeln wohl bewußt. Und er hegte einen tiefen Haß gegen die Marinesoldaten, ohne zu wissen, warum.
Blissett hob die Schultern. »Wir haben doch gar keine Chance, diese Schufte zu fassen. Sie werden bis zum letzten Augenblick kämpfen und ihre verdammten Schiffe mit auf den Grund nehmen. Kein Prisengeld, nichts!«
Der Großtopp bebte, und Wayth vergaß den Marinesoldaten und blickte zu seinen Toppsgasten weiter oben hinauf. Blissett sagte zu seinem Kameraden: »Jetzt geht es bald los, Dick.«
»Ja.« Der Kanonier schwenkte sein Geschütz auf das Land zu. »Aber mit der lahmen Kuh hier werden wir die dort drüben nie rechtzeitig erreichen.« Er grinste. »Wenn wir aber nach Backbord schießen, könnten wir ein paar fette Schweine fürs Abendessen erwischen.«
Blissett ging auf den Scherz ein. Er wandte sich von der felsigen Küste und den fremden Masten ab und richtete seine Muskete spielerisch nach der anderen Seite aus.
»Eins für den Kochtopf, Dick.« Er erstarrte. »Mein Gott – da drüben steht eine Kanone!«
Wayth schnarrte: »Das reicht mir jetzt ...«
Der Rest seines Wutausbruchs ging unter im Krachen eines schweren Geschützes und dem Pfeifen einer die Takelage der Tempes t durchschlagenden Kugel.
Blissett ging mit sausenden Ohren und keuchendem Atem in die Knie. Benommen starrte er auf die baumelnden Enden des zerfetzten Riggs und erbrach sich dann konvulsivisch, als er die zerstückelten Überreste des Unteroffiziers gewahrte. Das Geschoß hatte Wayth buchstäblich in zwei Teile gerissen und wie Pfannkuchen gegen den Mast geklatscht.
Irgendwie gelang es Blissett zu schreien: »An Deck!
Küstenbatterie backbord voraus!«
Erst jetzt bemerkte er, daß er – abgesehen von dem Toten – allein war. Sein Freund Dick und der andere Marinesoldat mußten aufs Deck hinabgeschleudert worden sein.
Blissett lehnte seine Muskete gegen den Handlauf und richtete sein Schwenkgeschütz auf das Ufer.
Dem ersten Schuß folgte augenblicklich ein zweiter. Es löste Alarmschreie auf dem Hauptdeck der Tempes t aus, als das Geschoß zwischen den Masten hindurchflog und den Strand auf der entgegengesetzten Seite aufwühlte.
Bolitho schrie: »Beide Batterien Feuer frei, Mr. Keen!«
Er wandte sich ab, als Blut und Fleischfetzen durch die Schutznetze fielen. Im Großtopp war jemand getroffen und getötet worden, und zwei Marinesoldaten waren über Bord gegangen. Ob tot oder lebendig, wußte er nicht.
Hurrarufe erschollen von der Steuerbordbatterie, aber die Stimmen hatten einen seltsam wilden Klang. Wahrscheinlich versuchten die Leute, ihr Erschrecken über das plötzliche Bombardement zu übertönen. Doch gleich würden sie zurückschlagen, es heimzahlen.
Der Lärm stockte und verstummte vollends, als die versteckten Geschütze wieder feuerten und ein schweres Geschoß kurz vor die Bordwand setzten.
Bolitho sah Spritzwasser über die Netze sprühen. Einer der Matrosen blickte auf, als ob er erwarte, einen Enterer zu sehen. Es überlief ihn kalt, seine Gedanken hielten mit der schnellen Folge der Ereignisse noch nicht Schritt.
Wieder ein Schuß, zweifellos aus einem dritten Geschütz, vielleicht auf halber Höhe des Abhangs oberhalb der brennenden Hütten. Das Geschoß ging zu weit und warf dicht bei den Felsen eine hohe Wasserfontäne auf.
Keen hob den Degen hoch über den Kopf. »Fertig, Leute! Fertig!«
Da sah Bolitho den Degen sinken und fürchtete schon, Keen sei von einem versteckten Scharfschützen getroffen worden. Aber Keen kam nach achtern gerannt, von den Blicken aller verfolgt, an denen er vorbeikam.
»Zum Teufel, Mr. Keen, was soll das?« Borlases Stimme klang schriller denn je.
Aber Keen sprang schon halb die Leiter herauf und schrie Bolitho zu: »Sir, die Masten sind Attrappen! Dort ankern keine Schiffe!«
Wie um seine Worte noch zu unterstreichen, schlug eine Kugel in eine Stückpforte und warf einen Zwölfpfünder um, der zwei Mann unter sich begrub. Die Luft hallte wider von Schreien und
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