Finstere Propheziung
ist«, schoss Cam zurück. Und dann fügte sie noch etwas hinzu, weil ihr mit einem Mal wie durch Zauberei vollkommen klar war, was sie sagen wollte und was Alex gerne hören wollte. »Alexandra Nicole Fielding, bitte bleib. Ich will, dass du bei uns wohnst. Ich will, dass du bei mir und meiner Familie und meinen Freunden bleibst. Ich will, dass sie deine Familie und deine Freunde werden. Ich will das alles mehr, als ich jemals zuvor irgendetwas gewollt habe.«
Alex schüttelte den Kopf, aber als sie den Blick zu Cam hob, glitzerten ihre Augen schelmisch. »So ist das also, Camryn Alicia Barnes. Du willst, dass ich bleibe. Mehr als du jemals zuvor irgendwas gewollt hast. Mehr als eine Einkaufstour? Mehr als ein Cabrio zu deinem sechzehnten Geburtstag? Mehr als ein superschnelles Laptop mit eingebautem DVD-Player? Mehr als - ach, ich weiß auch nicht - ein umwerfend cooles, minikleines Hightech-Handy?« Cams Augen erwiderten das Funkeln. »Na ja, vielleicht außer dem Handy.« Und dann brach sie in Lachen aus. Schallendes Gelächter hallte durch den Park, schien von Sträuchern und Bäumen, Felsen und Hügeln zurückzukommen. Ihr Lachen kitzelte die Grashalme und schwebte über den Hafen, bis ganz hinaus in die Bucht, wo es gleich einem Nebelschwaden zum Himmel aufstieg.
In dieser Nacht, im Licht des Mondes, erschien ihr das Gesicht, der Mann wieder, genau wie er es getan hatte, als sie noch ein Kind war. Es war dasselbe Gesicht, was sie während des Fußballspiels gesehen hatte, bleich und faltig, aber diesmal erschrak sie nicht bei seinem Anblick. In ihrem Traum hieß Cam ihn willkommen. Als er zu ihr sprach, gab sie ihm Antwort. »Sprich sie frei von aller Schuld, Apolla. Es ist an der Zeit zu vergeben. Und zu vertrauen«, sagte er. »Vertrauen?«, erwiderte sie wütend. Sie wusste, dass er von David und Emily Barnes sprach. »Wie soll das möglich sein? Warum sollte ich? Sie haben mir niemals die Wahrheit gesagt.«
»Die Wahrheit?« Die Gesichtszüge erschienen mit einem Mal weicher und wirkten jetzt beinahe mild. »Es gibt viele Arten von Wahrheit. Diese guten Menschen haben dich bei sich aufgenommen, haben sich um dich gekümmert und dich bedingungslos geliebt. Sie haben dich beschützt und würden alles tun, damit du glücklich bist. Auch das ist eine Wahrheit.« Darauf wusste Cam keine Antwort. »Diese Menschen, Apolla, haben in ihrem Herzen genügend Liebe für euch alle. Für ihren Sohn, für dich - und auch für Artemis.«
Cam wusste, dass er von Alex sprach. Plötzlich, in ihrem Traum, fragte sie: »Warum nennen Sie uns so? Apolla - so haben Sie mich genannt, als ich klein war. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.«
»Das wird sich ändern, ich verspreche es. Ehre deine Eltern. Lege dein Amulett an. Vergiss nicht.«
Auch Alex bekam einen Besuch. Von jenem Mann, der sie an einem einzigen Tag dreitausend Kilometer weit befördert hatte. Doc. Dass er ihr im Traum erschien, überraschte sie nicht. Er schien genau zu wissen, welche Fragen sie beschäftigten und sprach sanft mit ihr.
»Ich weiß, wie sehr du sie vermisst. Das wird sich niemals ändern.«
Sara.
»Du darfst nicht vergessen, wie sehr sie dich geliebt hat, sie war deine Beschützerin. Und du hast ihr das größte Glück ihres Lebens geschenkt. Aber du hättest sie nicht retten können. Ihre Zeit war gekommen. Befreie dich von der Schuld. Nimm ihre Liebe mit dir und beginne ein neues Leben. Dein wirkliches Leben, Artemis, hat gerade erst begonnen.« Dann zwinkerte er ihr zu. »Und du kannst mir glauben«, sagte er mit einem plötzlichen Lachen, »dass es sehr interessant wird. Bis die Tage, Als.« Artemis. So hatte er sie schon einmal genannt - es verwirrte sie noch immer. Aber als er sie Als nannte, freute sie sich. Sie lächelte im Schlaf. An jenem Morgen erwachten Camryn und Alexandra genau im gleichen Moment. Wenn sie einen kurzen Blick auf den Nachttisch zwischen ihren Betten geworfen hätten, dann wären ihnen Dinge aufgefallen, die am letzten Abend noch nicht dort gewesen waren. Auf Cams Seite lag neben einem winzigen Sträußchen grüner Blätter mit fröhlichen, purpurfarbenen Blüten ihr Halbsonnen-Amulett. Die Kette, die sie in ihrer Wut zerrissen hatte, war durch eine neue aus gleißendem Gold ersetzt worden. Auf Alex' Seite lag in dem seidenbespannten Kästchen, das Doc ihr gegeben hatte, ihr Halbmond-Amulett. Wenn die Mädchen versucht hätten sie zusammenzustecken, hätten sie bemerkt, wie nahtlos die beiden Formen ineinander
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