Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
strömten die Infanteristen in den Schloßhof, hell blitzten ihre Panzer im Licht der Morgensonne, als sie in Reih und Glied vor ihrem Oberbefehlshaber antraten, der sie aufmerksam musterte – vor dem Kriegsherrn Schlurf, dem Träger der Goldenen Fußbadewanne. Pfeilschützen marschierten auf und nahmen angespannt Aufstellung vor dem hakennasigen, knopfäugigen General Batteur, Träger der Zeremoniellen Beinschiene und der Wurfschlinge der Beherztheit, auch er Kriegsherr von Isolon. Kavalleristen postierten sich mit ihren Reittieren in geschlossener Reihe zu einem eindrucksvollen Bild equestrischer Angriffsstärke – sie versammelten sich vor Oberst Rachitwitz, dem mit Tapferkeitsauszeichnungen hoch dekorierten Kriegsherrn, dem die Schaufel und der Eimer der Vorausplanung verliehen worden waren, ebenso Steigbügel, Reitgerte und Peitschenschnur, die Insignien der Disziplin. Von allen Seiten strömten die Soldaten in den Schloßhof und versammelten sich vor ihren jeweiligen Oberbefehlshabern.
Lächelnd wandte sich der König von Isolon vom Fenster ab, und in seinem Lächeln mischten sich Stolz und glühender, aufrechter Zorn. Sein Amtsumhang schwang wirbelnd um die großen schwarzen Stiefel und legte sich wie ein plastisch ledernes Abbild seines aufgewühlten Gemüts in gefährlich scharfe Falten. Dann machte er sich auf den Weg, um seinen Sohn Klayth ausfindig zu machen, und stampfte ein- oder zweimal mit dem Fuß auf. Nur so.
Eine Leinwand. Schwarz, noch leer.
Dann Musik. Rhythmisch und schnell, wie die Begleitung zu ratternden Schreibmaschinen, zum Bild abrollender, gewaltiger Pergamentstreifen, die um Druckwalzen laufen, zwischen Rasterplatten hindurch und dann vorbei an Druckstöcken, die tintenschwarze Wörter auf das sausende, gebrochen weiße Pergament drucken. Rattern, Sausen, Drucken. Dann erscheint ein Bild auf der Leinwand: Tintenschwarze Wörter – hundertfach, tausendfach werden sie auf sausende Pergamentbahnen gedruckt. Rattern, Sausen, Drucken.
Das Bild verblaßt, wird durchscheinend.
Die Musik rattert und klingelt.
Die Druckstöcke drucken unaufhörlich.
Rattern, Sausen, Drucken.
Im Bildmittelpunkt erscheint ein wirbelndes, gebrochen weißes Rechteck. Die Musik scheppert weiter. Das Rechteck dreht sich schneller und immer schneller. Wird größer. Rast auf den Bildvordergrund zu. Schwarze Wirbel zeichnen sich auf dem Rechteck ab. Schwach erst, dann kräftiger. Sie festigen sich, als das Rechteck langsamer wird und schließlich leicht gekippt stehenbleibt. Die schwarze Farbe bildet jetzt Wörter. Deutlich lesbar, fett gedruckt – Schlagzeilen.
DIE LEMUREN DER LEMMINGE:
ROTE KARTE FÜR DIE GELBEN!
Die Musik rasselt weiter. Die Tonlage steigt um einen Halbton an, die Musik klingt drängender. Wieder wirbelt ein Rechteck in den Vordergrund. Undeutlich, verwischt. Schwarze Spiralen. Buchstaben. Schlagzeilen.
SUIZIDSAKKOS:
DIE GELBE GEFAHR IM KLEIDERSCHRANK!
Wieder einen Halbton höher. Wieder ein wirbelndes Rechteck. Wieder eine Schlagzeile.
SELBSTMORD IM PELZ:
UNGEBETENER GAST RUINIERT GEBURTSTAGSFEST DURCH SUIZIDALE SENSATIONSNUMMER!
Am nächsten Morgen waren diese Schlagzeilen überall zu lesen. In den Straßen wimmelte es von Zeitungsverkäufern, die die Nachricht von den ›Selbstmörderischen Mänteln‹ und ›Paranoiden Portemonnaies‹ in die Welt hinausschrien, beides Artikel, die in Cranachan viel getragen und benutzt wurden. Den ganzen Vormittag über drängten die Menschen in die Redaktionsstuben des Cranachischen Merkur und ergänzten die ständig anwachsende Sammlung der ›Beweise‹ und Gerüchte um immer weitere Berichte von geheimnisvollen Vorfällen. Jene erstaunliche Eigenschaft der menschlichen Natur, die die Leute dazu bringt, alles zu tun, damit dem Ballon der ›Wahrheit‹, sobald er sich einmal aufbläht, die Luft nicht wieder ausgeht – diese Eigenschaft veranlaßte die nach der Aufmerksamkeit der Presse gierenden Menschen, ihr eigenes Quantum banaler Heißluft in den Ballon zu pumpen, dessen hauchdünne Hülle, die Haut der Glaubwürdigkeit, bereits bis zum Platzen gespannt war. Je lächerlicher und unwahrscheinlicher die abgedruckten Geschichten waren, um so mehr Zeitungen wurden verkauft. Während des ganzen Tages kamen immer neue, unglaublich abstruse, esoterische Märchen heraus, wurde die Einbildungskraft mit immer wilderen Berichten gefüttert und angeheizt. Überraschenderweise fiel kein einziges Mal das Wort ›Ente‹.
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