Fischland-Rache
zurück und verharrte reglos.
In die Pause hinein sagte Heinz ruhig: »Lies weiter.«
Kassandra beobachtete, wie Dietrich ihm einen prüfenden Blick zuwarf, hinter seiner Stirn arbeitete es, doch er fragte nichts, sondern wandte sich wieder Paul zu, als der fortfuhr.
⦠wahrscheinlich sogar den besten. Allerdings bin ich mir noch im Unklaren, ob er das überhaupt weiÃ. Ich muss hier nicht sagen, wen ich meine, ich habe vor, Dir das persönlich zu erzählen. Du wirst es also jetzt längst wissen. Seltsamerweise kann ich bei ihm am wenigsten einschätzen, ob er fähig wäre, einen Mord zu begehen. Je länger ich darüber nachdenke â ja, vielleicht sogar noch eher als Inga. Sollte nichts von dem funktionieren, was ich ausgetüftelt habe, hab ich also immer noch ihn. Seine Trumpfkarte soll man ja immer zum Schluss ausspielen.
Hältst Du mich für verrückt, Paul? Ich versichere Dir, ich binâs nicht. Natürlich könnte ich mich erhängen, erschieÃen, vergiften, von der Marienkirche stürzen oder sonst was anstellen. Ich bin am Ende, ja, aber das heiÃt noch lange nicht, dass ich phantasielos gehe. Ich will ein bisschen Spaà am Schluss. Machtspiele wie dieses habe ich immer geliebt, und niemand soll sagen, ich wäre niederschmetternd mitleiderregend und langweilig von der Bühne getreten. Nicht mein Stil.
Falls Du mich unerwarteterweise doch ein kleines bisschen ⦠vermissen solltest, nimmâs nicht so tragisch und sag Dir, dass es genau so gekommen ist, wie ich es wollte.
Guten Rutsch und â auch sonst alles Gute. Ehrlich.
Sascha
Diesmal dauerte es länger, bis sich jemand rührte. Der Erste, der es schlieÃlich tat, war Paul. Er klappte das Notebook zu, nahm es vom Strom und hielt es Dietrich hin. »Hier. Tun Sie damit, was Sie wollen, wozu auch immer Sie es benötigen. Vielleicht finden Sie ja auf der Festplatte wirklich was Interessantes. AnschlieÃend können Sie das Ding entsorgen, ich willâs nicht wiederhaben.«
»Bestimmt?«
»Ja«, sagte Paul entschlossen. »Daran wird sich auch nichts ändern. Wissen Sie übrigens noch, was Sie gesagt haben, als wir uns bei Bruno trafen?«
Dietrich überlegte eine Weile. »Dass manche Menschen sehr gründlich aufräumen, wenn sie wissen, dass sie sterben werden? Und dass ich deshalb glaubte, Sascha Freese könnte geahnt haben, was ihm bevorstand? Dabei hatte ich zugegebenermaÃen nicht an diese Lösung gedacht.«
»Wie auch?«, sagte Bruno. »Niemand hätte darauf kommen können, dass jemand plant, sich auf so perfide Weise umbringen zu lassen.«
»Vielleicht doch«, widersprach Dietrich. »Männer wie Sascha Freese sind im Grunde Feiglinge. Er hätte sich seinem Leben stellen können, stattdessen hat er es vorgezogen, sich daraus zu verabschieden, sobald es unangenehm wurde. Und das hat er nicht mal selbst geschafft.«
»Wenn man es so betrachtet«, sagte Heinz, »könnten Sie recht haben.«
Dietrich schaute ihn durchdringend an. »Habe ich. Ich wollte nur, ich hätte einiges eher gesehen.«
»Sie haben ziemlich viel gesehen, scheint mir«, erwiderte Heinz. »Manchmal ist es besser, wenn man nicht alles sofort sieht, sonst gelangt man möglicherweise zum falschen Schluss.«
»Alles zu seiner Zeit, meinen Sie?« Dietrich lächelte. »Wenn man es so betrachtet, könnten Sie recht haben.«
Heinz erwiderte das Lächeln. »Da wir damit den dienstlichen Teil geklärt hätten, können wir ja jetzt zum privaten übergehen. Kaffee? Und was führt Sie denn nun eigentlich an Silvester nach Wustrow?«
»Ja, richtig, hätte ich beinah vergessen.« Während sich alle an den Esstisch setzten, holte Dietrich die Plastiktüte, die er mitgebracht hatte. »Ich bin auf dem Weg nach Ribnitz zu einer Feier, bei der ich Bernd Westphal treffe, den Kollegen von der Kriminaltechnik. Seine Frau liest Ihre Bücher, Herr Freese, und ich hab mich gefragt, ob Sie dieses für sie signieren würden.« Er reichte Paul ein Exemplar vom »Seegeflüster«.
»Mach ich gern«, sagte Paul. »Das ist ja mal ein netter Grund für einen Besuch. Kommen Sie ruhig öfter!«
»Ich nehm Sie beim Wort«, sagte Dietrich. »Macht sicher Eindruck, wenn ich signierte Bücher von Alexander Hardenberg verteile, der sich nie in der
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