Fleckenteufel (German Edition)
doof zum Handeln bin, selber schuld. Mein Vater ist weiß geworden vor Wut, konnte aber nichts machen, weil Herr Behrmann Polizist ist, sonst hätte er ihm bestimmt eine reingehauen und sich das verdammte Mikroskop wiedergeholt. Ich weiß, dass Peter das mit andern auch so macht, ständig kauft er irgendjemandem was ab, mir ist völlig rätselhaft, wo er das ganze Geld herhat. Aber irgendwo muss er den ganzen Kram ja lassen, sein beknacktes Kinderzimmer ist viel zu klein, deshalb gräbt er’s bestimmt im Wald oder sonst wo ein, der Pickerhamster. Peter besitzt als einer der wenigen ein Mofa, lässt uns jedoch nur gegen Geld darauf fahren. Pro Runde nimmt er zehn Pfennig, das ist umgerechnet fast so teuer wie Autoscooter. Das kriegt er zurück, in den nächsten zwei Wochen wird abgerechnet. Er schaut und schaut und schaut mit seinem kleinen Pickerkopf, aber ich werde ihm nicht den Gefallen tun, mich mit ihm zu unterhalten. Das ist ganz bitter, wenn man auf einer Freizeit niemanden kennt und keinen Anschluss findet. Ganz bitter. Übrig bleiben ist noch schlimmer, als verlassen zu werden.
Ein Freizeitteilnehmer nach dem anderen trudelt ein, langsam müssten wir mal vollzählig sein. Die meisten Jugendlichen kenne ich nur flüchtig, vom Sehen oder von früher von den Konfirmandenfreizeiten. Ich weiß nicht, zu wem ich mich stellen soll, deshalb setze ich mich auf meine Reisetasche und tu abwesend. Kurz vor drei kommt der Bus und manövriert wie irre auf dem viel zu kleinen Parkplatz herum. Alle stehen im Weg, der Fahrer wird sauer und schreit in seinem überhitzten Bus rum wie sonst was, obwohl wir doch eine christliche Familienfreizeit sind.
Im Sitzen spüre ich erst so richtig, wie der Arsch brennt, ich weiß gar nicht, wie ich die Busfahrt überstehen soll. Hoffentlich ist die Unterhose nicht nass vom Arschwasser, wie der Rücken von Peter Behrmann. Kann aber eigentlich nicht sein, denn ich habe eine dunkelblaue, farbneutrale Baumwollhose aus irgendeinem Scheißmaterial an. Wir haben zu Hause ziemlich wenig Geld; wenn ich mir mal richtige Klamotten kaufen wollte, müsste ich mir die selber verdienen.
Seit zwei Jahren trage ich Zeitungen aus (Bild am Sonntag/Welt am Sonntag ), denke aber gar nicht daran, das Geld in Kleidung zu investieren. Ich trage schon seit so vielen Hunderten von Ewigkeiten schlechtsitzende Stoffhosen und bescheuerte Hemden und kaputte Schuhe und fleckige Mickymausunterwäsche, dass es total auffallen würde, wenn ich plötzlich mit geilen Wrangler Jeans oder gar einer Veddelhose in die Schule käme. Ich will aber nicht auffallen, unter keinen Umständen. Mir ist eh schon alles peinlich genug. Ich schäme mich zu Tode, seit ich denken kann, und weiß nicht, wofür, wird schon stimmen.
Mein Zeitungsgeld habe ich sowieso viel sinnvoller investiert, in ein gebrauchtes Starflite Mofa, das mir Maik Hansen für hundert Mark verkauft hat. Woher er die Kiste hat, weiß kein Mensch, wahrscheinlich geklaut, und falls nicht, hat er dafür auf gar keinen Fall mehr als fünfzig Mark bezahlt, da bin ich mir sicher, er ist ja nicht bescheuert. Ist mir in Wahrheit auch egal. Hundert Mark, das sind umgerechnet mindestens 100 000 Bamms und Wamms plus Weihnachtsgeld. Starflites sind die schwächsten Mofas überhaupt, sogar noch schwächer als Mars Mofas aus dem Quellekatalog. Das geilste Mofa ist die Flory Dreigang, das einzige Mofa auf der ganzen Welt mit Gangschaltung. Ich kenne niemanden persönlich, der eine hat, vielleicht gibt’s die in Wahrheit auch gar nicht oder nur auf dem Papier. Meine Starflite ist weder frisiert noch angemeldet, weil mir meine Mutter kein Mofa erlaubt. Ich fahre daher schwarz, zahl weder Steuern noch Versicherung und hab auch kein Nummernschild. Wenn mich die Bullen erwischen oder wirklich mal was passiert, bin ich im Arsch und meine Eltern auch. Es ist totales Glück, dass ich die Mühle bei Ute im Fahrradkeller unterstellen darf. Ute ist so was wie meine beste Freundin. Wir gehen in dieselbe Klasse, und sie hat dauernd was am Laufen mit älteren Typen. Ihr neuer Freund war angeblich schon mal für ein halbes Jahr im Jugendknast und will mit ihr schlafen, sie ist aber noch unentschieden, von wegen ob er es ernst meint und der ganze Quatsch. Ute zieht mich regelmäßig ins Vertrauen, sie fragt mich ernsthaft nach meiner Meinung, ob sie mit ihm schlafen soll oder lieber nicht. Ich bin immer stolz wie Bolle, wenn Ute mich als ihren besten Freund vorstellt:
«Das ist Thorsten,
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