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Fleisch und Blut - Der Kannibale

Fleisch und Blut - Der Kannibale

Titel: Fleisch und Blut - Der Kannibale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Lee
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Büro zurück. Als er an Aemiseggers Büro vorbei ging, rief er seinem Chef fröhlich zu: «Morgen Aemisegger, haben Sie etwas von dem Journalisten gehört?»
    Die Frage fuhr Aemisegger voll ein. Waren das die Knochen von Jürg Ambauen? Seine Frustrationsgrenze war erreicht. Mehr ging nicht, das Limit war erreicht - dachte er zu diesem Zeitpunkt.
     

    Nach einigen Sekunden antwortete er knapp: «Möglich.»
    Köppel war sich nicht sicher, ob Aemisegger ihn reizen wollte.
    «Wie bitte?», fragte Köppel nach und blickte skeptisch zu ihm hinüber.
    «Wie soll ich sagen, Köppel,…» Aemisegger trat ungewohnt verwirrt auf. Man erkannte die Zerstreutheit an seinem Stirnrunzeln und den durcheinander gewirbelten Haaren, aber vor allem an seinem Zögern. Das war nicht der Aemisegger, den Köppel kannte.
    Aemisegger sprach langsam und deutlich: «Ich habe heute ein Paket erhalten.»
    «Ein Paket – Sie? Haben Sie Geburtstag heute oder was habe ich verpasst?»
    «Mein Geburtstag war letzte Woche, Köppel. Vergessen Sie’s. Nein. Vom Mörder von Lukas Brennwald – ich bin mir ziemlich sicher, dass er es gewesen sein muss.»
    «Was denn? das ist nicht zu glauben! hat er den Mord gestanden?» Köppel verstand noch nicht wirklich.
    «Ein Schädel und viele kleine Knochen waren drin. Ich habe das Paket bereits Kägi ins Labor gebracht.»
     

    Beiden schossen die Gedanken wild durch den Kopf. Es war klar, was die Botschaft bedeutete: der Täter hatte wieder zugeschlagen.
     

    Nach einer kurzen Zeit des Ordnens der wirren Gedanken, setzte bei Köppel auch das Reaktionsvermögen wieder ein. Er hakte nach: «Vermuten Sie, dass die Knochen im Postpaket diejenigen des vermissten Journalisten sind?»
    Aemisegger antwortete wiederum knapp: «Wie ich vorhin schon erwähnte, es wäre möglich.»
    «Möglich ist immer alles, Chef. Das haben Sie mir beigebracht.»
    «Das sind noch nicht alle Neuigkeiten: Ein Spaziergänger ist gestern Abend in einem Waldstück im zürcherischen Glatttal ebenfalls auf menschliche Knochen gestossen. Wie unser Kollege von der Stadtpolizei Dübendorf mir mitgeteilt hat, hat sich den Ermittlern ein ähnliches Bild geboten wie wir es bei unserem Fund vor einigen Wochen erlebt haben.»
    «Sie scherzen?»
    «Ich befürchte – nein.»
    «Weiss man schon, wer das Opfer ist?»
    «Ich hoffe bald. Die Knochen sind bereits im Labor und werden untersucht. Ich erspare Ihnen die Einzelheiten.»
    «Sie ersparen sich selbst die Einzelheiten. Vergessen Sie es, Chef: ich will alles ganz genau wissen!» Auch wenn es Köppel fern lag, seinem Chef einen Befehl zu erteilen, das musste sein. Er saugte jedes Detail in diesem Fall in sich auf.
     

    «Dann lesen Sie den Bericht.» Kommissar Aemisegger knallte ihm einen vierseitigen Bericht mit Fotos auf den Tisch. Geschriebenes stand nicht viel drin. Die Fotos sprachen Bände. Köppel war angespannt. Die Bilder jagten ihm einen Schrecken in die Glieder. Sie erinnerten ihn tatsächlich stark an den Fund im Zürcher Unterland, an die Überbleibsel von Lukas Brennwald. Der Schädel des Toten fehlte diesmal. Ansonsten lagen die Knochen wiederum auf dem Waldboden gestreut, eingekreist von Steinen. Teilweise waren die Knochen gebrochen, teilweise schienen sie leicht angebrannt. Kleinere Knochen – es mussten wohl Finger und Zehen sein – lagen wie achtlos daneben.
     

    Köppel zog seine Schreibtischschublade auf und nahm die Lupe in die Hand: Beim Vergrössern einer Nahaufnahme erkannte Köppel an den abgebildeten Knochen wie Schnittspuren von scharfkantigen Werkzeugen oder feine Risse. Es lief ihm eiskalt über den Rücken.
     

    Köppel legte seine Hand auf die Fotos und schob sie mitsamt dem Papier in Aemiseggers Richtung: «Muss ich mir das anschauen?»
     

    «Sagte ich doch, Köppel, Sie wollten ja nicht hören.»
     

    Beide schwiegen. So sehr sich die Kommissare wünschten, die Wahrheit über den Mord an Lukas Brennwald herauszufinden und den Mörder zu fassen und lebenslang hinter Gitter zu bringen, so sehr tappten sie im Dunkeln. Wie gelähmt sassen sie da. Sie waren dem Mörder um Schritte, um Meilen, hintennach. Das Schlimmste an der Sache war, dass sie nicht die geringste Ahnung hatten, was da vor sich ging. Ein Mensch, der Menschen tötete und ihnen das Fleisch von den Knochen zog. Warum tat er das? War er ein Besessener?
     

    Das Läuten des Telefons unterbrach das betretene Schweigen. Gereizt nahm Aemisegger den Anruf entgegen. Seine Miene erhellte sich ein wenig.

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