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Fliehkräfte (German Edition)

Fliehkräfte (German Edition)

Titel: Fliehkräfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Thome
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Reise war. Ich will versuchen, es dir zu erklären.«
    »Dann tu es auch.«
    »Vor zwei Wochen hab ich Peter im Verlag getroffen, vor unserem Mittagessen am Hackeschen Markt. Er wollte mir die Räume zeigen, meinen künftigen Arbeitsplatz und mir ein paar Mitarbeiter vorstellen. Er war von der Idee überzeugt und ich – keine Ahnung, wie ich das Gefühl beschreiben soll. Ich saß ihm gegenüber und hab mich gefragt, wie bin ich hierhergeraten? Plötzlich schüttele ich Leuten die Hand, die meine Studenten sein könnten, aber tatsächlich bewerbe ich mich darum, ihr Kollege zu werden.«
    »Ein unheimliches Gefühl, oder?«
    »Ja.«
    »Zum ersten Mal hast du erwogen zu tun, was ich zwanzig Jahre lang getan habe – beruflich zurückstecken.«
    »Unheimlicher fand ich, nicht zu wissen, ob du es willst«, sagt er. »Nach zwanzig Jahren Ehe nicht sicher zu sein, ob meine Frau mit mir unter einem Dach leben will. Das war unheimlich, auch wenn ich erst unterwegs verstanden habe, dass meine Ungewissheit so tief geht.« Er hält inne und hebt die Hände. Wenn sie schweigen, ist nur das Meer zu hören, das Auslaufen der winzigen Wellen vorne am Strand. »Sag was, Maria. Ich ziehe gerade Bilanz, und sie fällt nicht besser aus als deine.«
    »Ich wusste von dem Gespräch im Verlag.« Sie spricht mit nach vorne gerichtetem Blick und der sanften Stimme, die er so lange vermisst hat. »Ich wusste davon, bevor ihr es geführt habt, Peter und du.«
    Die Leute mit den Taschenlampen haben die Felsen verlassen und gehen über den Strand. Das Glühen auf seiner Haut wird stärker.
    »Du wusstest es?«
    »Es war sogar meine Idee.« Jetzt sieht sie ihn an, mit einem Lächeln, das er nicht deuten kann. Stolz spricht daraus, Schuldbewusstsein und ein vergeblicher, stiller Triumph. »Zuerst war es ein spontaner Einfall. Peter hatte mir von seinen Plänen mit dem Verlag erzählt und wie schwierig es ist, die richtigen Leute zu finden. Dass der Job eine Fachkenntnis erfordert, die nur wenige haben, und dass er ungern mit Leuten arbeitet, die er nicht persönlich kennt. Du weißt, wie er ist, er braucht diese freundschaftliche Atmosphäre. Also hab ich dich ins Spiel gebracht. Du hast dich seit Jahren nur beklagt über deine Arbeit. Dass du dich nicht wohlfühlst alleine in Bonn, wusste ich sowieso. Auch wenn du mir gelegentlich vorgeworfen hast, dass mir das egal sei.« Mit einer Handbewegung wehrt sie seinen Einwand ab. »Du hast geglaubt, dass ich meine Interessen über unsere stelle. In gewisser Weise zu Recht. Ich wollte nach Berlin gehen, obwohl ich wusste, dass ich dir damit weh tue. Und es stimmt, dass ich schon Jahre vorher angefangen hatte, darüber nachzudenken. Als klar war, dass aus einem gemeinsamen Umzug nichts werden würde. Nachdem ich jahrelang unsere Interessen über meine gestellt hatte, dachte ich, warum nicht mal umgekehrt? Ich hab nie zu den Frauen gehört, die alleine für die Familie leben, und außerdem – welche Familie? Eine Tochter, die mich bestenfalls ignoriert hat, und ein Mann, der nie da war. So wie du im Verlag saß ich zu Hause und hab mich gefragt: Was mache ich hier? Ich brauche kein großes Haus, und ich muss nicht jede Nacht neben meinem Mann einschlafen, aber ich kann nicht ohne das Gefühl leben, meine Tage sinnvoll zu verbringen. Wenn du damals gesagt hättest, entweder ich bleibe in Bonn oder wir trennen uns, dann hätten wir uns getrennt. So weit war ich.« Maria holt tief Luft. Ihre schönen schlanken Hände sind in ständiger Bewegung. Die Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen, die er gestern in Philippas Gesicht erkennen und auf sich selbst zurückführen wollte, könnte seine Tochter ebenso gut von ihrer Mutter geerbt haben. Bloß ohne das schlechte Gewissen, das dicht darunterliegt. Das gehört zum Rapa-Erbe, davon wurde Philippa verschont.
    »Wo wir gerade von unheimlichen Gefühlen gesprochen haben«, sagt er. »Ich glaube, meins reicht weit hinter das Gespräch im Verlag zurück. Es bestand darin, zu wissen, aber nicht wahrhaben zu wollen, dass das Leben, das ich dir ermöglichen kann, nicht das Leben ist, das du führen willst. Und darin, nicht zu wissen, von welchem Leben du stattdessen träumst. Angst zu haben, es könnte ein Leben ohne mich sein. Jahrelang hab ich versucht, davor die Augen zu verschließen.«
    »Es war nie unser Deal, dass du mir ein Leben ermöglichst, Hartmut. Ich hab das weder verlangt noch erwartet.«
    »Was war unser Deal?«
    »Wir hatten keinen. Wir

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