Fluch der Toten: Roman (German Edition)
sodass man sie in der Innenstadt nicht hören konnte. Was auch eine gute Sache war, wenn man bedachte, dass Tausende oder gar Hunderttausende von Infizierten in dieser Stadt auf der Lauer lagen. Zu ihrem Glück kam noch hinzu, dass das Gelände von einem Maschendrahtzaun umgeben war. Dieser erschuf eine sichere Zone, in der man sich frei bewegen konnte, ohne sich ständig Gedanken über einen Hinterhalt machen zu müssen.
Mbutu Ngasy, im Kreis der Überlebenden als dröger, aber geradezu unheimlich intuitiver Charakter bekannt, hatte die Forschungseinrichtung » Shermans Landsitz « getauft.
» Ich sollte vielleicht das Ciprofloxacin wegwerfen « , meinte Trevor und warf einen Blick über die Schulter auf seinen Rucksack.
Brewster stolperte über einen Spalt im Asphalt, fluchte und schaute seinen Gefährten an. » Warum? «
» Es ist seit April null sechs abgelaufen. «
Brewster zuckte die Achseln. » Nimm’s trotzdem mit. Man weiß nie, was die Medicos gebrauchen können. Vielleicht ist das Zeug ja noch gut. « Er schenkte Trev einen Seitenblick. » Hör mal, ich muss dich ’n paar Sachen fragen. «
Trev blinzelte. » Schieß los. «
» Ich hör die Leute reden. Ich möchte niemandem zu nahe treten oder so was, aber stimmt es, was sie sagen? Dass du glaubst, dass die Infizierten Dämonen sind? « Erneut schaute er Trevor an.
» Du trittst mir nicht zu nahe « , sagte Trev. » Und ja, es stimmt. Es sind wirklich Dämonen. « Er lachte. » Aber es ist doch alles Semantik, oder nicht? Ob man sie nun Infizierte, Dämonen oder kleine grüne Steinfresser nennt, ist doch wirklich egal. Sie sind darauf aus, uns kaltzumachen, und wir sind darauf aus, sie kaltzumachen. Und das ist alles, was wirklich zählt. «
» Okay « , sagte Brewster. » Aber glaubst du nicht, du wärst besser dran, wenn du, wie wir anderen, mit ’ner Knarre unter dem Arm rumlaufen würdest? Wenn du beispielsweise das Blut von denen abkriegst, müssen Rebecca und Anna dich über Nacht unten in BL 4 in eine Zwangsjacke stecken. «
Trev nickte langsam. » Das versteh ich ja…Ich kann es aber einfach nicht genau erklären. Ich weiß nur, dass dieser Schlagstock, als ich vor dem ersten Infizierten stand, ähm, wie eine Offenbarung für mich war. Er war ein Geschenk – als hätte ich ihn einsetzen sollen. Für mich war er irgendwie ein Zeichen. Bisher hat er mir immer gute Dienste geleistet. Außerdem hab ich für den Fall der Fälle noch ’ne Pistole. « Er klopfte auf die Pistolentasche, die an seinem Gurt hing.
» Siehst du dein Wirken als ’ne Art göttliche Mission, oder…? «
» Oho, oho « , fiel Trevor ihm ins Wort. » Über Gott hab ich noch nie ein Wort verloren. «
Brewster runzelte die Brauen und dachte nach. » Verzeihung, Mann. Ich wollte dich nicht nerven. «
Trevor seufzte und trat ein loses Asphaltstück beiseite. Shermans Landsitz wurde größer. Sie sahen Jack den Schweißer auf dem Dach stehen. Er winkte ihnen zu.
» Ehrlich gesagt, ich bin Agnostiker. Ich wusste nie genau, ob es Gott, den Teufel und den ganzen anderen Kram wirklich gibt. Aber das hier? Diese Pandemie? Diese Pest? Das sind Dämonen, Mann. «
Brewster grinste. » Irgendwie ist es paradox. «
Trevor lachte leise. » Das kann man wohl sagen. Aber jetzt hab ich ein Ziel. Vermutlich bin ich technisch gesehen noch immer der verrückte Schweinehund, der ich vor einem Jahr war, aber schau dich doch mal um: Alles ist tot. Oder liegt im Sterben. Fast alles. Wir, die wir noch da sind, haben Tod, Schmerz und Niederlagen gesehen. Wir haben die Schweinehunde mit den blutunterlaufenen Augen aus der Nähe gesehen. Frag dich selbst, Ewan: Wer ist denn noch verrückt? Niemand? Oder alle? Ich? Du? «
Brewster dachte schweigend über Trevors Worte nach.
Die beiden Männer überquerten die von leeren Patronenhülsen wimmelnde Straße, die zu Shermans Landsitz führte. Jack der Schweißer, der seit dem Fall von Suez im Januar bei ihnen war, weigerte sich immer, seinen Nachnamen preiszugeben, aber er schloss das Haupttor für sie auf. Sie traten ein, zogen die Schwingtür hinter sich zu und schlossen gut ab.
Die Forschungseinrichtung war nun ihr Zuhause, ihre Festung und, am wichtigsten, ihre letzte und beste Hoffnung, den Morgenstern-Erreger zu schlagen. In den vergangenen Wochen hatte man sich hier eingelebt. Der Vordereingang, früher offen und mit großen Fenstern und Doppeltüren versehen, war vollständig umgebaut worden. Kanthölzer waren sauber über die
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