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Fluch der Unsterblichkeit

Fluch der Unsterblichkeit

Titel: Fluch der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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schlammstreifige Gezeitenbänder.
    Neue Küstenlinien ...
    Ich hatte meinen ganzen Konvoi einen Umweg machen lassen, um mich über den Stand der Verwüstungen zu informieren. Myshtigo machte sich Notizen, er fotografierte auch.
    Lorel hatte gesagt: »Führen Sie die Tour weiter. Der Sachschaden war nicht übermäßig hoch, denn der Mittelmeerbereich war großenteils voll Ramsch gewesen. Was die Überlebenden betrifft, so wird bereits alles in unserer Macht Stehende getan. Machen Sie also weiter.«
    Ich glitt im Tiefflug über das hinweg, was von Kos übriggeblieben war – das westliche Schwanzende der Insel. Eine wilde Vulkanlandschaft, voller frischer rauchender Krater zwischen den neuen leuchtenden Seezungen, die kreuz und quer das Land überzogen. Hier hatte einst die alte Hauptstadt Astypalaia gestanden. Thukydides erzählt uns, sie sei durch ein gewaltiges Erdbeben zerstört worden. Er hätte dies hier sehen sollen. Meine Stadt im Norden von Kos war seit 366 vor der Zeitrechnung bewohnt gewesen. Nun war alles verschwunden, nur noch Wasser und Feuer. Es gab keine Überlebenden – und die Platane des Hippokrates und die Moschee und das Kastell der Kreuzritter von Rhodos und die Brunnen und mein Haus und meine Frau waren den Weg des toten Theokritos gegangen, er, der vor vielen Jahren sein möglichstes getan hatte, die Insel unsterblich zu machen. Dahin. Vorbei. Weiter im Osten ragten noch ein paar Gipfel der hohen Bergkette, die die nördliche Küstenebene durchzogen hatten, aus dem Wasser. Man sah die mächtige Spitze des Dhikaios, der auf die Dörfer am Nordhang herabgeblickt hatte. Jetzt war er ein winziges Inselchen, und keinem war es gelungen, den Gipfel rechtzeitig zu erklimmen.
    Genauso muß es vor vielen Jahren gewesen sein, als die See vor meiner Heimat, bedrängt durch die Halbinsel Ckalkidike aufschwoll und das Land angriff; in jener Zeit, als die Wasser des Landmeeres sich einen Ausweg durch die Tempe-Schlucht suchten und die gewaltigen Konvulsionen sogar die Bergwände des Göttersitzes Olympos zerkerbten; und als nur Herr und Frau Deukalion überlebten, die von den Göttern, auf dem Wasser treibend, gerettet wurden.
    »Sie haben da unten gelebt?« fragte Myshtigo.
    Ich nickte.
    »Geboren sind Sie aber in dem Dorf Makrynitsa in den Hügeln Thessaliens, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Aber Sie haben sich hier Ihr Zuhause aufgebaut?«
    »Vorübergehend, ja.«
    »›Zuhause‹ ist ein universaler Begriff«, sagte er. »Ich weiß das zu schätzen.«
    »Danke.«
    Ich starrte weiter hinunter.
     
    Athen erfüllt mich nach längerer Abwesenheit immer mit einer spontanen Vertrautheit, die stets erfrischend ist, oft erneuernd, manchmal aufreizend, Phil las mir einmal ein paar Zeilen eines der letzten großen griechischen Dichter, Giorgios Seferis, vor und behauptete, er habe sich auf mein Griechenland bezogen, als er sagte: »... Ein Land, das nicht mehr unser Land ist – noch das eure.«
    Es ist unser Land. Weder die Goten, Hunnen, Bulgaren, Serben, Franken, Türken, noch die Weganer haben es uns je nehmen können. Ich habe ganze Völker überlebt, und Athen und ich haben uns gemeinsam etwas verändert. Aber das festländische Griechenland ist und bleibt das festländische Griechenland, und für mich ändert es sich nicht.
    Deshalb fühle ich mich erfrischt, wann immer ich heimkehre, denn heute, da ich ein Mann bin, der viele Jahre hinter sich gelassen hat, verspüre ich das gleiche gegenüber der ganzen Erde. Deshalb kämpfte ich und tötete und warf Bomben und wendete auch jeden erlaubten Trick an, um zu verhindern, daß die Weganer die Erde, Stückchen für Stückchen, der Exilregierung auf Taler abkauften. Das ist der Grund, warum ich mich unter einem falschen Namen in den mächtigen Behördenapparat, der diesen Planeten regiert, hineinschmuggelte – und deshalb mein besonderes Interesse für Kunst, Monumente und Archive. Dort konnte ich darum kämpfen, das zu bewahren, was noch vorhanden war, während ich auf die weitere Entwicklung wartete.
    Die Vendetta der RADPOL hatte die Emigranten ebenso wie die Weganer in Schrecken versetzt. Sie hatten sich nicht klargemacht, daß die Abkömmlinge der Menschen, die die Drei Tage überlebt hatten, nicht freiwillig die besten Gebiete an der Küste für weganische Urlaubzentren aufgeben noch ihre Söhne und Töchter preisgeben würden, um sie in diesen Reservaten arbeiten zu lassen; auch waren sie nicht bereit, die Weganer durch die Ruinen ihrer Städte zu führen und

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