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Fluch der Unsterblichkeit

Fluch der Unsterblichkeit

Titel: Fluch der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Art.«
    »Ha!« machte ich wieder, dann wechselte ich das Thema.
    »Haben wir schon etwas über den Weganer?«
    »Nein!«
    »Und du willst seinen Kopf?«
    »Ich bin nicht zivilisiert. – Sag mal, war Phil früher, in der alten Zeit, auch schon so ein Narr?«
    »Nein, das war er nicht. Er ist es auch jetzt nicht. Sein Fluch ist, daß er ein Halbtalent ist. Jetzt hält man ihn für den letzten Romantiker unter den Dichtern, und er hat einfach nachgelassen. Er treibt seinen Mystizismus bis ins Unsinnige. Er lebt jetzt in den Verzerrungen einer recht ehrenhaften Vergangenheit.
    Wie Byron hat auch er einmal den Hellespont durchschwommen, aber jetzt geht es ihm wie Yeats. Die einzige Gesellschaft, die er wirklich genießt, ist die junger Damen, die er mit seiner Philosophie langweilen oder gelegentlich mit einer geschickt angebrachten Anekdote bezaubern kann. Er ist einfach alt. Manchmal zeigt sein Stil ein Aufflammen seines früheren Könnens, aber es waren nicht nur seine Werke, die seinen Stil und seine Persönlichkeit ausmachten.«
    »Wie das?«
    »Nun, ich erinnere mich an einen bewölkten Tag, da stand er auf der Szene des Dionysos-Theaters und rezitierte eine Hymne an Pan, die er verfaßt hatte.
    Sein Griechisch war damals noch nicht sehr gut, aber seine Stimme war recht eindrucksvoll. Nach einiger Zeit fing es an zu regnen, ganz leicht, aber keiner verließ das Theater. Gegen Ende gab es ein Donnergrollen, das scheußlich nach Gelächter klang, und plötzlich überlief ein Schauer die Menge.
    Auch ich war beeindruckt. Ein paar Tage später las ich dann das Gedicht – und es war gar nichts, es waren Knüttelverse, es war banal. Aber die Art, wie er es vorgetragen hatte, erzielte die Wirkung. Diesen Teil seiner Kraft hat er mit seiner Jugend verloren, und das, was von der sogenannten Kunst noch übrig blieb, war einfach nicht stark genug, um ihn wirklich groß zu machen. Er kann das nicht verwinden und tröstet sich mit einer obskuren Philosophie, aber um deine Frage zu beantworten: nein, er war nicht immer so ein Narr.«
    »Vielleicht stimmt sogar an seiner Philosophie einiges.«
    »Was meinst du damit?«
    »Die Großen Zyklen. Das Zeitalter der seltsamen Wunderwesen ist ja tatsächlich erneut über uns hereingebrochen. Auch das Zeitalter der Halbgötter und Heroen.«
    »Also, mir ist nur eine Art Wunderwesen begegnet.«
    »›Karaghiosis schlief in diesem Bett‹, heißt es hier. Sieht sehr bequem aus.«
    »Es ist bequem. – Siehst du?«
    »Ja. Ob ich vielleicht die Plakette behalten darf?«
    »Wenn du willst ...«
     
    Ich trat zum Proskenion. Die Reliefarbeiten begannen an den Stufen. Sie erzählten Geschichten aus dem Leben des Dionysos. Jeder Tourleiter und jedes Mitglied einer Tour muß nach einer Anordnung, die ich erlassen habe, »... nicht weniger als drei Magnesiumfackeln während der Reise bei sich tragen«. Ich zog den Stift einer Fackel heraus und warf sie auf den Boden.
    Ich starrte nicht in die helle Flamme, sondern über sie hinweg auf die Silberzeichnungen der Figuren. Da reichte Hermes den kindlichen Gott dem Zeus dar, während die Korybanten zu beiden Seiten des Thrones einen fantastischen Pyrrhikos trippelten; dann war da Ikaros, den Dionysos den Weinbau gelehrt hatte, ferner waren da all die anderen Götter der Städte, die diesem Theater ihre Aufwartung machten: ich entdeckte Hestia, Theseus und Eirene mit einem Füllhorn ...
    »Bringst du den Göttern ein Brandopfer dar?« kam die Stimme aus der Nähe hinter mir.
    Ich wendete mich nicht um, weil ich sie kannte.
    »Vielleicht ist das so«, sagte ich.
    »Ist es deshalb, weil es nie eine unsterbliche Penelope gegeben hat – geduldig wie die Berge wartend auf die Heimkehr ihres Kallikanzaros –, webend, geduldig wie die Hügel?«
    »Bist du neuerdings der Märchenerzähler im Dorf?«
    Er kicherte.
    »Ich hüte die vielfüßigen Schafe an den hohen Orten, wohin die Finger der Eos zuerst reichen, um den Himmel mit Rosen zu schmücken.«
    »Sicher, du bist der Märchenerzähler. Warum bist du jetzt nicht droben auf den hohen Orten, statt die Jugend mit Liedern zu verderben?«
    »Wegen der Träume.«
    »Aha.«
    Ich wendete mich um und blickte in sein uraltes Gesicht. Ich wußte, er war über ein Jahrhundert alt und hatte nie eine S-S-Behandlung gemacht.
    »Vor kurzer Zeit träumte ich, ich stand in der Mitte eines schwarzen Tempels«, begann er zu erzählen, »und Hades, der Herr, kam und trat neben mich, er nahm mein Handgelenk und befahl mir,

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