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Flucht übers Watt

Titel: Flucht übers Watt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gekrisselte Dauerwelle hatte auf jedem Bild eine andere Farbe: sattes Kornblumenblau, schrilles Pink, grelles Giftgrün und natürlich leuchtendes Rotviolett. Dann wurde Harry von der Stewardess mit dem Lunchtablett geweckt.
    |287| Ein paar Stunden später fuhr er in einem Yellow Cab mit einem Taxifahrer, der Larry Feuerman hieß und tatsächlich eine Haarfarbe wie ein Feuermelder hatte, über die Williamsburg Bridge auf die Skyline von Manhattan zu. Damit begann Harrys neues Leben.
     
    Unter der Telefonnummer, die er vom Flughafen aus angerufen hatte, meldete sich eine Frauenstimme. Nicht besonders freundlich. Aber sie meinte, er solle einfach vorbeikommen. Wenigstens hatte er das so verstanden. 127   East 10th Street war ein altes Brownstone Haus, und Sam Lieberman war ein wortkarger älterer Herr mit einem kurz geschnittenen grauen Vollbart und wachen Augen. Er sprach offenbar sehr gut Deutsch mit amerikanischem Akzent. Harry erzählte ihm die Geschichte, und Lieberman sagte ohne Unschweife, er solle erst mal ein paar Tage bleiben.
    Seine Tochter Zoe, die allein mit dem Vater in der großen dunklen Wohnung lebte, nahm Harry abends mit zu einer Tanzperformance in einer ehemaligen Kirche in East Village. Danach aßen sie in Chinatown Dim Sums. Er fühlte sich wie im Rausch. Er war benebelt von der Stadt und er hatte sich sofort in Zoe Lieberman verliebt. Ständig musste er in ihre dunkelbraunen, Kajal umränderten Augen sehen. Sie hatte tiefschwarze lange Haare und trug ein schwarzgrau gestreiftes unterhemdartiges Shirt. Ihre Haut sah dagegen kalkweiß aus. Ganz anders als jetzt. Sie lachte damals auch seltener. Aber wenn, dann zeigte sie ihre etwas zu weit vorstehenden Schneidezähne.
    Vier Tage später kam der Briefumschlag aus |288| Deutschland mit den ›Ungemalten Bildern‹. Sam war von den gelb-orange-roten Wolken im ›Meer im Abendlicht‹ und auch von dem ›Seltsamen Paar‹ begeistert. Harry bekam gleich einen beachtlichen Vorschuss, von dem er sich eine Nikon kaufte und Zoe vor dem »Flatiron Building« in Schwarz-Weiß fotografierte. Bleiben durfte er sowieso, in einem kleinen Gästezimmer mit Blick auf eine verwitterte Mauer. In der dritten Nacht bekam er dort Besuch von Zoe. Deutsche Maler waren Ende der Achtziger in New York ziemlich angesagt.
     
    Allmählich hat Zoe genug von der Suche nach den ›Feriengästen‹.
    »Come on, Harry. Muss es denn ausgerechnet dieser Nolde sein? Lass uns einfach einen anderen mitnehmen. So schwierig sah dieses Museum doch gar nicht aus in   ... wie hieß der Ort noch?«
    »Seebüll.«
    »In Seebüll.«
    »Ich will aber meine ›Feriengäste‹.« Harry ist jetzt bockig.
    »Schon gut. Wir sind ja nun auf deinem Trödelmarkt.« Sie streicht ihm durch seine Haartolle wie einem Jungen, der das versprochene Eis gleich bekommen soll. Aber eigentlich würde sie lieber an den Strand gehen, statt in einer stickigen ehemaligen Tennishalle zwischen Pappkartons herumzuirren, aus denen Kinder ihre zerfledderten Comichefte verhökern.
    Die beiden sind erstaunt, wie viel Krempel auf so einer kleinen Insel anfällt. Halb verrostete Fahrräder, |289| vergilbte Bücher, ausrangierte Barbiepuppen und die scheußlichsten Kristallvasen, ganze Kleiderstangen voll geblümter Blusen und Plattensammlungen quer durch das Schaffen von James Last.
    Der grau melierte Banker aus ihrem Hotel hat sich lachend einen alten Rettungsring um den Hals gelegt, den er offenbar grade erstanden hat.
    »Isn’t it funny«, ruft er Zoe zu.
    Harry glaubt seinen Augen nicht zu trauen: Auf dem rot-weißen Ring stehen groß die Buchstaben E L S A.   Unglaublich, ein Rettungsring von Kieseritzkys »Elsa«. Das »S« ist fast nicht mehr zu erkennen. Der ganze Ring wirkt ziemlich ramponiert. Aber es müsste der Rettungsring sein, mit dem er damals im Sturm vor Amrum über Bord gesprungen ist.
    Der Banker lacht feist und winkt ihnen zu, das heißt, vor allem Zoe. Er hat schon an einem der Abende an der Bar bei »Hüttmann« recht unverhohlen mit ihr geflirtet und einen Wein spendiert. »Ein Riesling von der Mittelmosel. Ganz einfach und schlank, aber super. What do you think?«
    Heute trägt er ein Lacoste-Hemd in Giftgrün, das zu dem penetranten Geruch seines Rasierwassers passt und seinen Bauchansatz noch etwas mehr zur Geltung bringt. Seine Frau mit den dünnen blondierten Haaren hat schon wieder den Telefonhörer am Ohr und berichtet über die aktuellen Amrumer Temperaturen in Wasser und Luft.
    Harry sucht

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