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Fortinbras ist entwischt

Fortinbras ist entwischt

Titel: Fortinbras ist entwischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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«Wir sind abgeschnitten, wir sind abgeschnitten von der Außenwelt», jubilierte er.
    «Nun ist es aber genug», sagte Mummi, denn in diesem Augenblick betrat Opa das Zimmer. Opa schätzte es gar nicht, wenn beim Frühstück gesungen wurde.
    Der alte Herr nahm Platz, entfaltete seine Serviette und breitete sie auf seinen Knien aus. May setzte ihm den Teller mit seinem üblichen Frühstück vor, das aus einem Setzei, zwei Scheiben Speck und ein Paar gebratenen Würstchen bestand. Sie goß duftenden, dampfenden Kaffee in seine Tasse und dachte verschmitzt: all diese guten Sachen, dazu noch Toast und Marmelade, und dabei sind wir - um mit Gaylord zu sprechen - von der Außenwelt abgeschnitten. Angesichts dieses Umstandes kann sich wohl niemand über das Frühstück beklagen.
    Aber da irrte sie sich. Opa starrte auf das Tischtuch. «Verflucht und zugenäht», sagte er wütend.
    «Aber Schwiegervater! Was ist denn los?» fragte sie erstaunt.
    «Was los ist?» Er riß seinen Blick vom Tischtuch und starrte sie an. «Los? Gütiger Himmel! Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß wir uns in einer schwierigen Lage befinden, aber so was ist mir noch nie passiert.»
    «Was denn, Schwiegervater?»
    «Die Times ist nicht da.»
    «Dann müssen wir uns wohl auf das Radio beschränken, um die Verbindung mit der Außenwelt aufrechtzuerhalten», sagte May spitz.
    «Vielleicht bringen sie Sondermeldungen», sagte Gaylord hoffnungsvoll. «Über Hubschrauber, die Lebensmittel und Medikamente abwerfen und...»
    , fügte May hinzu, allerdings nur in Gedanken. Es war nicht ratsam, während des Frühstücks mit Opa zu scherzen; denn das hieß, sein Leben sinnlos zu riskieren.
    Paps erschien. Er sah bleich und verstört aus. Aber da er beim Frühstück oft bleich und verstört aussah, nahm May keine weitere Notiz davon. Sie sagte: «Komm, Jocelyn, Liebling, es kann zwar sein, daß wir von der Zivilisation abgeschnitten sind, aber noch haben wir Eier und Speck und Kaffee.»
    Er schien sie nicht zu hören. Statt dessen wühlte er ziemlich hilflos und niedergeschlagen in seinen Taschen. Dann sagte er mit einem kläglichen Seitenblick auf May: «Vater, du hättest nicht vielleicht - hm - zufällig - ein Päckchen Tabak übrig?»
    Opa schüttelte den Kopf. «Ich wollte eigentlich gestern welchen kaufen, habe es dann aber vergessen», sagte Jocelyn unglücklich. Er sah hinauf auf die Überschwemmung. «Es wird eine Zeit dauern, bis sich das wieder verlaufen hat», sagte er mit tragischer Stimme.
    «Aber das Wasser steigt doch immer noch», verkündete Gaylord freudig. «Mummi, wie heißt das doch noch, du weißt, was immer bei Überschwemmungen ausbricht?»
    «Cholera», sagte Mummi. «Jocelyn, bitte, geh nicht ständig auf und ab, sondern frühstücke.»
    «Meinst du, wir kriegen sie?» fragte Gay lord.
    «In der Büchse in meiner Schreibtischschublade war gerade noch genug für eine Pfeife», sagte Jocelyn. «Aber irgend jemand muß sie fortgeworfen haben», fügte er düster hinzu.
    «Der Lehrer sagt, man wird ganz schwarz», sagte Gaylord.
    «Um Himmels willen, sei endlich still», sagte Mummi.
    Jocelyn setzte sich hin und stocherte mit Grabesmiene in seinen Spiegeleiern herum, und May dachte: da überlege ich seit zwei Stunden fieberhaft, registriere alle Vorräte, plane ihre Rationierung und komme schließlich zu dem Schluß, daß wir auf alle Fälle mindestens eine Woche davon leben können. Aber meine Phantasie hat mich im Stich gelassen. Ich habe unverzeihlicherweise zwei für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit unerläßliche Dinge außer acht gelassen: die Times und eine Dose Tabak. Männer! dachte sie. Geliebte, lächerliche, einen zur Weißglut bringende Wesen. Sie lachte los und konnte nicht wieder aufhören. Jocelyn sah sie besorgt an. Gaylord sah sie höchst interessiert und nicht wenig überrascht an. Er war sprachlos, daß ausgerechnet Mummi als erste die Nerven verlor. Dabei hätte er sein ganzes Taschengeld darauf gewettet, daß es Paps sein würde.
    «Hat hier jemand», fragte Opa eisig, «etwa einen Witz gemacht?»
    May schüttelte den Kopf. «Entschuldige, Schwiegervater», sie konnte sich immer noch nicht beruhigen, «ich benehme mich wie ein alberner Backfisch.»
    Opa sah sie scharf an. Er hatte immer gedacht, seine kühle, damenhafte, ungemein sensible Schwiegertochter wäre die letzte, die sich albern wie ein Backfisch auf führen würde. Aber da niemand auch nur die Andeutung eines Witzes

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