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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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machten. Es waren recht jämmerliche Tiere, die schon nach wenigen Stunden den Schwung verloren und sich lahmend weiterschleppten. Jedes trug eine Ladung Hand– werkszeug, Waffen und Blechtöpfe, und so trottete die Karawane unter lärmendem Metallgerassel langsam voran. Unterwegs entledigte sich dieser oder jener eines Teils der Last, der dann verstreut neben den für die Toten errichte– ten Kreuzen liegenblieb, die hier und da die Landschaft sprenkelten. Sie stellte sich als Elias Andieta vor, kürzlich aus Chile eingetroffen mit dem Auftrag seiner Mutter, seinen Bruder Joaquín zu suchen, und entschlossen, ganz Kalifornien von oben nach unten abzuklappern, bis er seine Pflicht erfüllt habe.
    »Wie alt bist du, Rotznase?« fragten sie.
    »Achtzehn.«
    »Du siehst aus wie vierzehn. Bist du nicht ein bißchen zu jung zum Goldsuchen?«
    »Ich bin achtzehn, und ich suche kein Gold, sondern meinen Bruder Joaquín«, wiederholte sie.
    Die Chilenen waren jung und fröhlich und hielten noch an ihrer Begeisterung fest, die sie getrieben hatte, ihr Land zu verlassen und sich in so weiter Ferne an das Abenteuer zu wagen, wenn sie auch allmählich feststellten, daß die Straßen nicht mit Schätzen gepflastert waren, wie man ihnen erzählt hatte. Anfangs drückte Eliza sich den Hut immer tief in die Stirn und zeigte keinem ihr Gesicht, aber sie merkte bald, daß die Männer einander selten ansahen. Sie hatten es als selbstverständlich hingenommen, daß sie ein Junge war, und wunderten sich nicht über ihre Körperformen, ihre Stimme und ihre Gewohnheiten. Da jeder mit sich selbst beschäftigt war, beachteten sie es nicht, daß sie nicht in ihrer Gegenwart pinkelte, und als sie auf einen Tümpel stießen, in dem sie sich erfrischen konnten, und alle sich nackt auszogen, tauchte sie bekleidet und sogar mit dem Hut auf dem Kopf hinein und behauptete, so könne sie gleich ihr Zeug im selben Bad waschen. Da lachten sie und sagten, du mit deiner Sauberkeit. Und tatsächlich war sie nach wenigen Tagen genauso schmutzig und verschwitzt wie ihre Gefährten. Sie entdeckte, daß Dreck alle gleich macht, alle gleich verkommen; ihre Spürhundnase unterschied kaum noch ihren eigenen Körpergeruch von dem der übrigen. Der grobe Stoff der Hose kratzte an ihren Beinen, sie war nicht gewohnt, lange Strecken zu reiten, und am zweiten Tag konnte sie wegen der wundgeriebenen Hinterbacken kaum einen Schritt gehen, aber die anderen waren auch Stadtmenschen und hatten dieselben Schmerzen wie sie. Das heiße, trockene Klima, der Durst, die Müdigkeit und die ständigen Angriffe der Moskitos nahmen ihnen bald die Lust an jederlei Übermut. Sie zogen schweigend dahin unter dem Geschepper ihrer Gerätschaften und wären am liebsten umgekehrt. Wochenlang suchten sie nach einer günstigen Stelle, wo sie sich zum Goldsuchen niederlassen konnten, während Eliza die Zeit nutzte, nach Joaquín Andieta zu forschen. Weder die winzigen Hinweise noch die schlecht gezeichneten Karten brachten etwas, und wenn sie an einen guten Goldwaschplatz gelangten, trafen sie schon Hunderte früher gekommener Miners an. Jeder von ihnen war berechtigt, hundert Quadratfuß zu beanspruchen, er markierte seinen Platz, indem er tagsüber dort arbeitete und nachts sein Werkzeug an der Stelle liegenließ, falls er sich entfernte, aber wenn er länger als zehn Tage fortblieb, konnten andere seinen Claim besetzen und unter ihrem Namen registrieren lassen. Das schlimmste Verbrechen war es, in das Eigentum eines anderen vor Ablauf der Frist einzufallen und es zu berauben. Das wurde nach einem Standgericht, bei dem die Miners Richter, Geschworene und Henker zugleich waren, mit Hängen oder Auspeitschen bestraft. Überall trafen Eliza und ihre Gefährten auf Trupps von Chilenen. Sie erkannten sich an der Kleidung und am Akzent und begrüßten sich stürmisch, teilten den Mate, den Schnaps und das Dörrfleisch, erzählten einander in lebhaften Farben von ihren jeweiligen Mißgeschicken und sangen ihre sehnsuchtsvollen Lieder unter den Sternen. Aber am nächsten Tag verabschiedeten sie sich - keine Zeit für ausufernde Gastfreundschaft. Aus dem blasierten Tonfall und der Unterhaltung einiger der Männer schloß Eliza, daß es junge Herren aus Santiago waren, halbaristokratische Bübchen, die vor ein paar Monaten noch Gehrock, Lackschuhe und Glacehandschuhe zu pomadisierten Haaren getragen hatten, aber an den Fundstellen konnte man sie kaum von den handfesteren Gestalten aus dem Volk

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