Foundation 05: Das Foundation-Projekt
klein geratene Erwachsene, aber gerade das schien Wanda zu gefallen.
Sechs Jahre waren vergangen, seit sie damals Yugos Büro betreten hatte. Yugo hatte sie aus seinen restaurierten Augen etwas einfältig angesehen und wie üblich einen Moment gebraucht, bis er sie erkannte.
Dann sagte er: »Das ist ja Wanda, meine kleine Freundin. – Was machst du denn für ein trauriges Gesicht? Ein so hübsches Mädchen sollte doch gar nicht wissen, was Traurigkeit ist.«
Und Wanda sagte mit zitternder Unterlippe: »Keiner hat mich lieb.«
»Ach komm, das ist doch nicht wahr.«
»Alle haben sie nur das neue Baby lieb. Um mich kümmert sich niemand mehr.«
»Ich hab’ dich lieb, Wanda.«
»Dann bist du aber der einzige, Onkel Yugo.« Und weil sie sich nicht mehr auf seinen Schoß setzen konnte wie früher, als sie noch klein war, legte sie wenigstens den Kopf an seine Schulter und brach in Tränen aus.
Amaryl war völlig ratlos, und so konnte er sie nur umarmen und immer wieder sagen: »Nicht weinen. Nicht weinen.« Aus reiner Sympathie, und weil er in seinem eigenen Leben so wenig Grund zum Weinen hatte, liefen ihm dabei selbst die Tränen über die Wangen.
Dann hatte er einen Einfall: »Wanda, soll ich dir etwas Schönes zeigen?«
»Was denn?« schniefte Wanda.
Für Amaryl gab es im ganzen Leben und im ganzen Universum nur ein einziges Gebilde, das er als schön bezeichnet hätte. »Hast du schon einmal den Primärradianten gesehen?« fragte er.
»Nein. Was ist das?«
»Dein Großvater und ich brauchen ihn für unsere Arbeit. Siehst du? Hier steht er.«
Er zeigte auf den schwarzen Würfel auf seinem Schreibtisch, und Wanda betrachtete ihn mit kläglicher Miene. »Der ist doch nicht schön«, sagte sie.
»Jetzt nicht«, gab ihr Amaryl recht. »Aber paß auf, wenn ich ihn einschalte.«
Und das tat er. Der Raum wurde dunkel und füllte sich mit Lichtpunkten und verschiedenfarbigen Blitzen. »Siehst du? Und wenn wir das vergrößern, werden aus allen Punkten mathematische Zeichen.«
Gesagt, getan. Ein Lichtschwall schien auf die beiden zuzurasen, und dann schwebten alle möglichen Symbole in der Luft, Buchstaben, Ziffern, Pfeile und andere, die Wanda noch nie gesehen hatte.
»Ist das nicht schön?« fragte Amaryl.
»Doch.« Wanda starrte wie gebannt auf die Gleichungen, die (was sie nicht wußte) verschiedene Zukunftsalternativen darstellten. »Aber der Teil dort gefällt mir nicht. Ich glaube, da ist etwas falsch.« Sie zeigte auf eine bunte Zeichenkette zu ihrer Linken.
»Falsch? Wieso sagst du, da ist etwas falsch?« Amaryl runzelte die Stirn.
»Weil es… nicht schön ist. Ich würde es anders machen.«
Amaryl räusperte sich. »Gut, ich werde versuchen, es in Ordnung zu bringen.« Und damit rückte er näher an die fragliche Gleichung heran und starrte mit gewohnt einfältigem Blick auf die Symbole.
»Vielen Dank, Onkel Yugo«, sagte Wanda, »daß du mir die schönen Lichter gezeigt hast. Vielleicht verstehe ich eines Tages auch, was sie bedeuten.«
»Schon gut«, winkte Amaryl ab. »Hoffentlich geht’s dir jetzt besser.«
»Ein bißchen, danke.« Sie schenkte ihm ein winziges Lächeln und verließ den Raum.
Amaryl war ein wenig pikiert. Es paßte ihm nicht, wenn jemand ein Produkt des Primärradianten kritisierte – auch wenn es nur ein Madchen war, das es nicht besser wußte.
Und da stand er nun und ahnte nicht, daß soeben die Revolution der Psychohistorik begonnen hatte.
4
An diesem Nachmittag suchte Amaryl Hari Seldon in seinem Büro in der Streeling Universität auf. Das war an sich schon ungewöhnlich, denn Amaryl verließ sein Büro so gut wie nie, nicht einmal, um mit einem Kollegen zu sprechen, der am gleichen Korridor untergebracht war.
»Hari«, sagte Amaryl stirnrunzelnd. Er schien verwirrt. »Mir ist heute etwas Merkwürdiges passiert. Eine ganz sonderbare Sache.«
Seldon betrachtete seinen Freund tief bekümmert. Er war erst dreiundfünfzig, aber er sah viel älter aus, so gebückt und verbraucht, daß er fast durchsichtig wirkte. Auf massiven Druck hin hatte er sich immer wieder einmal ärztlich untersuchen lassen, und jedesmal hatten ihm die Mediziner empfohlen, für eine gewisse Zeit (manche sagten auch, für immer) seiner Arbeit fernzubleiben und sich Ruhe zu gönnen. Nur so könne sich sein Zustand bessern. Andernfalls – Seldon hatte den Kopf geschüttelt. »Wenn wir ihm seine Arbeit wegnehmen, stirbt er uns noch früher – und bestimmt nicht glücklicher. Wir
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