Frauen, die Geschichte machten
Zweck erfüllt.
Hamburg, im Winter 2003/2004
Reinhard Barth
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Hatschepsut
Weiblicher Horus aus feinem Gold
|14| Thutmosis I. war ein energischer Herrscher, der Ägyptens Macht um 1500 v. Chr. bis an den Euphrat und nach Nubien zum 3. Nilkatarakt
ausdehnte. Entsprechend oft war er im Feld und seine Frau Ahmose, Tochter seines Vorgängers Amenhotep I., allein in der Metropole
Weset, die von den Griechen später nach dem Vorbild ihrer eigenen gleichnamigen Stadt das »hunderttorige Theben« genannt wurde.
Aus dem griechischen Theben kennen wir die Geschichte vom König Amphitryon und seiner Frau Alkmene, der sich Göttervater Zeus
in Gestalt ihres Gemahls naht und mit ihr Herakles zeugt. Eine ganz ähnliche Legende wird auch aus dem ägyptischen Theben
berichtet, fast anderthalb Jahrtausende, bevor die Amphitryon-Geschichte erstmals literarischen Niederschlag fand.
Der energische Thutmosis I. starb 1493 v. Chr. und hinterließ »nur« die Tochter Hatschepsut, die mit ihrem Halbbruder Thutmosis
II. verheiratet wurde. Nur so konnte dieser als Sprössling aus der Verbindung des Königs mit einer Nebenfrau die Nachfolge
des Pharao antreten. Der zweite Thutmosis aber starb schon bald (1490 v. Chr.). Mit seiner Hauptfrau Hatschepsut, der Großen
Königlichen Gemahlin, hatte er ebenfalls nur eine Tochter, sie hieß Nefrure, sodass wiederum für den Thron nur der Sohn aus
einer Nebenverbindung in Frage kam. Dieser Thutmosis III. lag allerdings noch in den Windeln, weshalb seine Stiefmutter und
Tante Hatschepsut die Regentschaft übernahm, ein nicht ungewöhnlicher Vorgang im alten Ägypten.
Revolutionäres tat sich erst später. Zunächst erkannte Hatschepsut ihre Rolle unter Thutmosis III. an. Das belegen auch mehrere
Reliefs, auf denen sie immer hinter dem kindlichen Pharao abgebildet ist. Nicht lange aber, da kehrten sich die Verhältnisse
um. Hatschepsut hatte nach zwei Jahren auch offiziell die Regentschaft übernommen. Sie bezeichnete sich nun selbst als »der
Pharao« und ließ sich auf offiziellen Tempelbildern als Mann mit dem zeremoniellen Kinnbart darstellen, der mit zwei Bändern
am Kopfputz befestigt war. Dieses Herrschersymbol kennzeichnet auch die Skulpturen, die aber zudem unübersehbar weibliche
Formen aufweisen. Und eine nur halb erhaltene Porträtbüste zeigt ein ausdrucksvoll-schönes lächelndes Frauenantlitz. Wie nun?
Ihre oder Seine Majestät?
Beides. Die alten Ägypter sahen in ihrem König sowohl den Menschen als auch eine Verkörperung des Göttlichen. Diese Göttlichkeit
berührten irdische Mängel nicht; ein Pharao konnte ein Trinker oder ein Schurke sein, das betraf |15| nur seine diesseitige Erscheinung und änderte nichts an seiner himmlischen Unantastbarkeit. Mithin konnte er auch eine Frau
sein. Eigentlich. Im Grunde jedoch wurde gerade dieser »Mangel« als so gravierend empfunden, dass es weibliche Pharaonen allenfalls
in politisch kritischen Zeiten oder als vorübergehende Regentinnen gab. Hatschepsut war die einzige Frau auf dem ägyptischen
Thron, die deutliche politische Spuren hinterlassen hat und den rechtmäßigen männlichen Pharao weit über zwei Jahrzehnte lang
hinter sich stellen konnte.
Das ist insofern bemerkenswert, als sich Thutmosis III. später als einer der bedeutendsten Herrscher erwies. Dass er auch
als Erwachsener keinen Versuch machte, die regierende Tante zu verdrängen, lässt sich nur mit ihrer außergewöhnlichen Autorität
erklären, die sich auch darin ausdrückte, dass sie zwar als »Seine Majestät« bezeichnet wurde, wobei aber grammatisch für
Klarheit gesorgt wurde, dass eine Frau diese Majestät verkörperte.
Als der männliche Rivale alt genug war, Ansprüche anzumelden, war ihre Herrschaft bereits so fest verankert, dass er sich
für eine Palastrevolution wohl wenig Chancen ausrechnete.
Ein Grund für die Stabilität von Hatschepsuts Macht lag darin, dass man in Ägypten den Frauen mehr Rechte einräumte als in
anderen orientalischen Kulturen, die eher nomadisch geprägt waren. Ägyptische Frauen konnten durchaus Vermögen besitzen und
erben, über Ländereien gebieten und vor Gericht ihr Recht suchen, genauso wie Männer. Auch in der Ehe waren sie durch klare
güterrechtliche Bestimmungen abgesichert. Zudem standen ihnen viele Berufe offen, die in anderen Kulturkreisen Männern vorbehalten
waren: Frauen konnten Bäuerinnen und Musikantinnen, Bäckerinnen und Weberinnen,
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