Fremd fischen

musst du darum kämpfen, ihn zu behalten. Das ist ein Balanceakt. Aber wenn die Beziehung stimmt, findest du diese Balance. Hillary und Julian wird es gelingen, da bin ich sicher.
    Als ich wieder in meinem Büro bin, greife ich auch zum Telefon und wähle die Nummer meines einzigen anderen vorbehaltlosen Verbündeten. Ich weiß, dass Ethan nicht entgehen wird, wie komplex die Situation ist. Vielleicht, weil er Darcy besser kennt als Hillary. In mancher Hinsicht versteht er sie sogar besser als ich.
    Er unterbricht mich nicht einmal, als ich ihm die Geschichte erzähle.«Hast du so was vermutet? Als Dex sich bei dir nach meinen Flugdaten erkundigt hat?», frage ich ihn schließlich.
    « Ich hab’s gehofft … Darum hab ich sie ihm gegeben. Aber ich hab keine Fragen gestellt. Hab bloß die Daumen gedrückt.»

    « Du hast es gehofft? Wirklich? Ich dachte, du kannst ihn nicht leiden?»
    « Ach, ich konnte bloß nicht leiden, wie er dich den ganzen Sommer über hat zappeln lassen. Jetzt kann ich ihn leiden. Genauer gesagt, ich bewundere ihn sogar. Er ist nicht den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Davor hab ich wirklich Respekt … So viele lassen sich einfach im Strom der Verlobungen treiben und stranden dann im Hurrageschrei der Hochzeit. Aber Dex hat sich gegen die Strömung gestellt. Das rechne ich ihm hoch an. Wirklich.»
    « Ich bin nur froh, dass er es war, der die ganze Sache abgeblasen hat. Ehe Darcy ihm die Entscheidung abnehmen konnte, nachdem sie wusste, dass sie schwanger war. Denn sonst, weißt du, sonst würde ich mich immer fragen, ob ich nicht doch die zweite Wahl bin.»
    « Und wie geht’s dir jetzt?»Er stellt die Frage behutsam, und ich weiß, dass er von Darcy spricht.
    Ich sage ihm, dass ich natürlich glücklich bin, aber auch niedergeschmettert, weil ich Darcy verloren habe und weil sie nicht länger ein Teil meines Lebens sein wird. Obwohl ich in Wirklichkeit nicht glaube, dass ich das schon vollständig begriffen habe.«Es ist halt kein Ende wie im Märchen», sage ich.
    « Nein. Das ist es nie.»
    « Und es ist alles so schnell gegangen. Gerade dachte ich noch, am Samstag ist die Hochzeit. Und eine Minute später – keine Hochzeit. Ich kann mit Dex zusammen sein, Darcy hat Marcus, und sie kriegt ein Kind von ihm. Das ist verrückt.»
    « Ich kann nicht fassen, dass sie schwanger ist … Scheiße! Dieses Mädel!», sagt er einigermaßen amüsiert.

    « Ich weiß.»
    « Es wird nie langweilig mit ihr.»
    « Ich weiß … Ich glaube, das werde ich vermissen.»
    « Ja. Na ja. Vielleicht überlegt sie sich’s irgendwann.»
    « Vielleicht.»
    Er räuspert sich.«Obwohl ich das bezweifle.»
    « Ich auch.»
    « Also Marcus und Darcy.»Er pfeift.«Das ist wirklich ein Hammer.»
    « Ja. Wem sagst du das …? Aber ich kann es jetzt sogar verstehen … Es leuchtet ein. Sie hat dauernd gemeckert, weil Dex zu viel arbeitet. Und Marcus ist das genaue Gegenteil.»
    « Aber du bist eher wie Dex.»
    « Ja. So viel zu der Theorie, dass Gegensätze sich anziehen. »
    « Hört sich an, als wäre für alle das Beste dabei rausgekommen … Das heißt, außer für James. Der wird am Boden zerstört sein.»
    « Ja, wahrscheinlich.»
    « Und ich bin natürlich auch ein bisschen enttäuscht. »
    « Warum?»
    « Ich dachte, du würdest nach London ziehen.»
    « Wer weiß? Das tu ich vielleicht immer noch.»
    « Willst du Dex verlassen?»
    « Er kann mitkommen.»
    « Glaubst du, das macht er?»
    « Vielleicht.»
    Vielleicht liebt er mich so sehr, dass er mir überallhin folgt.
    Als ich aufgelegt habe, fange ich mit meinen Aufträgen an. Ich logge mich in die juristische Datenbank ein und klicke einen Fall nach dem anderen an. Immer
wieder checke ich meine E-Mail und warte darauf, dass das Telefon klingelt. Erst glaube ich, ich warte auf Dex, aber dann greife ich zum Telefon und rufe ihn an, und als ich danach immer noch dieses dumpfe, leere Gefühl habe, wird mir klar, dass ich in Wirklichkeit darauf warte, von Darcy zu hören. Ich rechne damit, dass sie jeden Augenblick anruft. Schrei mich an, wirf mir Gemeinheiten an den Kopf, aber sprich mit mir. Kommuniziere mit mir, egal, wie. Aber mein Telefon klingelt nicht, obwohl ich in der Mittagspause durcharbeite. Gegen vier ruft endlich jemand an.
    « Rachel?», brüllt Claire.
    Ich verdrehe die Augen.«Hallo, Claire.»
    « Was um alles in der Welt ist los?», fragt sie, als sei sie nicht im Einzelnen informiert. Ich vermute, dass Darcy sie zu diesem Anruf