Fremd fischen
schon gar nicht, wenn Dex und ich
zusammenbleiben. Unsere Freundschaft ist wahrscheinlich für immer zu Ende, und vielleicht ist es auch besser so. Vielleicht hatte Ethan recht, und es wird Zeit, dass ich aufhöre, Darcy zum Maßstab meines eigenen Lebens zu machen.
Ich streiche mit den Fingern über mein Glas und denke staunend daran, wie viel sich in so kurzer Zeit geändert hat. Wie sehr ich mich verändert habe. Ich war immer bemüht, meinen Eltern zu gefallen und eine pflichtbewusste Freundin zu sein. Ich habe risikolose, gewissenhafte Entscheidungen getroffen und gehofft, dass sich alles für mich fügen wird. Dann habe ich mich in Dex verliebt und darin immer noch etwas gesehen, was mir passiert. Ich habe gehofft, dass er alles in Ordnung bringen oder dass das Schicksal eingreifen wird. Jetzt weiß ich, dass ich mein Glück selbst in der Hand habe – und wenn ich mir nehme, was ich will, bedeutet das auch, dass ich etwas anderes verliere. Und je mehr auf dem Spiel steht, desto höher können die Verluste ausfallen.
Dex und ich reden noch lange miteinander; wir besprechen buchstäblich jeden Augenblick unseres Sommers und lassen alles noch einmal auferstehen, das Gute wie das grausig Schlechte. Meistens lachen wir; nur einmal kommen mir die Tränen: als wir bei dem Augenblick angelangt sind, als er mir sagte, er werde Darcy heiraten. Ich erzähle ihm, wie ich noch einmal gewürfelt habe, als er gegangen war. Er sagt, es tue ihm Leid. Ich sage, er habe keinen Grund, sich zu entschuldigen. Damals nicht und jetzt erst recht nicht.
Und dann, kurz vor Mitternacht, erklingt die wundervolle Harmonika, erst langsam, um sich dann zum Liedbeginn zu steigern. Bruce Springsteen singt: The screen door slams, Mary’s dress sways …
Dexter beginnt zu lächeln. Seine Augen leuchten und sind ganz besonders grün. Er zieht mich an seine Brust und raunt mir ins Ohr:«Ich bin froh, dass wir gerade keinen Kuchen essen.»
« Ich auch», flüstere ich.
Dex hält mich im Arm, und wir hören Bruce zu. Was er singt, ist voller Bedeutung für uns:
Hey, was können wir sonst tun
Wir kurbeln die Fenster herunter, und der Wind weht
dein Haar zurück
Die Nacht bricht auf
Und diese Straße bringt uns überall hin
Mir wird klar, dass dieser Abend ein Ende und ein Anfang ist. Aber zum ersten Mal akzeptiere ich beides. Die letzte Zeile von Thunder Road erfüllt die Bar: Ich verschwinde von hier, und ich werde gewinnen.
« Möchtest du jetzt gehen?», frage ich Dex.
Er nickt.«Ja.»
Wir stehen auf, gehen durch die verräucherte Bar und verlassen das«7B», ehe das nächste Stück anfängt. Die Nacht ist klar und schön, die Luft ein bisschen frostig. Es wird Herbst. Ich nehme Dexters Hand, und wir schlendern die Avenue B hinauf und halten Ausschau nach einem Taxi, das in die richtige Richtung fährt.
Die Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel Something Borrowed bei St. Martin’s Press, New York
Taschenbuchneuausgabe 03/2013
Copyright © 2004 by Emily Giffin
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in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion | Dorothee Wiese
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Satz | Leingärtner, Nabburg
eISBN 978-3-641-10371-2
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