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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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jung, eroberungslustig und lebendig.
    Liraun hatte ihn herausgerissen, Liraun und die seidige Intensität der Nacht – obwohl die Wirkung auf ihn stärker zu sein schien, als selbst Sinnlichkeit und Fremdartigkeit erklären konnten.
    Der Sex mit Liraun war eine tolle Sache, sicher (sie waren Hand in Hand durch die leeren, hallenden Straßen zur Enklave gegangen, in Farbers Apartment, verstohlen, ohne ein Wort miteinander zu reden, wie unartige Kinder, die sich nach einem verbotenen Ausflug zurück nach Hause schleichen), aber nicht besser, als er bei verschiedenen Gelegenheiten mit anderen Frauen gewesen war. Ihre Liebe in dieser Nacht war kein Feuer transzendentalen Entzückens; wie jedes andere Paar brauchten sie Zeit, sich auf einander einzustellen, und ihre ersten Versuche hatten durchaus eher etwas Ungeschicktes an sich. Es war ganz die übliche verschwitzte Angelegenheit voller kleiner gegenseitiger Entdeckungen, Enttäuschungen und Überraschungen – auf der rein sexuellen Ebene nicht viel anders als sein erstes Zusammensein mit Kathy ein paar Tage vorher. Und doch war Liraun anders, und ihre Fremdartigkeit durchzog die ganze Nacht wie der beißende erotische Geruch ihres Körpers die Luft in Farbers Schlafzimmer.
    Sie sprach wenig. Sie begann zu unvorhersehbaren Momenten zu lachen oder zu weinen, aus für Farber völlig unerklärlichen Gründen. Sie war verspielt und zur gleichen Zeit von entschlossenem, ja grimmigem Ernst. Farber bekam nie heraus, auf welche Stimmung er sich gerade einzustellen hatte, und ihre Fähigkeit, zwei Stimmungen miteinander zu vermischen, war zuviel für ihn. Ihr Körper war eigenartig, aber nicht so fremd, das er abstoßend gewesen wäre – eher im Gegenteil. Sie besaß keine Brüste oder, genauer gesagt, nur rudimentäre wie Farber selbst; bei den Cian stillten die Männer den Nachwuchs. Auch ihre Brustwarzen waren nur rudimentär entwickelt – drei Paare davon übereinander auf dem Brustkasten, flach und nur durch die dunklen Hautpartien darum herum gut erkennbar. Der größte Teil ihres Körpers wurde von einem feinen, hellen Flaum bedeckt, der vor endlosen Zeiten einmal ein Fell gewesen sein mochte. Ihr Schamhaar war ungewöhnlich dicht und kräftig und zog sich von dem Spalt zwischen ihren Schenkeln aus weit über den Bauch. Ihre Zähne waren nicht sehr viel länger als die eines Menschen, und zu Farbers großer Erleichterung achtete sie sehr darauf, nicht zu fest zuzubeißen, hatte er doch halb befürchtet, sie würde ihn in Stücke reißen. Sie war vielleicht keine so selbstbewußte Expertin wie Kathy – obwohl sie im sexuellen Bereich keineswegs ohne Finessen war –, aber in ihrer Art lag eine außergewöhnliche, sehr beherrschte Verzweiflung, die ihn zugleich verwirrte und faszinierte.
    Beim Orgasmus – bei ihrem zweiten Versuch, bei dem sie sich langsam und geduldig hochgearbeitet hatten – umklammerte sie ihn mit einer Kraft, die fast noch größer war als seine eigene und brach ihm beinahe die Rippen. Sie schrie heiser und wild, als würde sie von etwas entzückt und entsetzt, was er niemals begreifen könnte.
    Am Morgen stand Liraun ohne ein Wort auf und zog sich an. Als er ihr zusah, wie sie im kalten, schiefergrauen Licht der Morgendämmerung durch sein Apartment stapfte und sich in ihre hautenge Kleidung zwängte, fühlte Farber eine Woge idiotischer Begierde in sich aufsteigen und wäre bereit gewesen, die ganze Nacht noch einmal durchzumachen, geil wie ein begieriger Schuljunge, obwohl er körperlich wahrscheinlich zu erschöpft dafür war. Liraun sah wesentlich weniger mitgenommen aus als Farber; ihre Bewegungen waren noch immer flink und elegant, ihr Gesicht war frisch und faltenlos, sie huschte wie eine Tänzerin durch das Allerweltsmobiliar des Raumes.
    Farber war von der Grazie und der schwebenden Art ihrer Bewegungen so gefangen, daß er sie fast bis zur Türe gleiten ließ, bevor der Zauber brach und er sich in plötzlicher Enttäuschung aufrichtete und stammelte: »Warte, ich … werde ich dich wiedersehen? Kommst du zurück? Ich würde mich freuen, wenn du zurückkämst …« Er hielt, von ihrem Schweigen betroffen, inne und fügte dann lahm hinzu: »Wenn du das überhaupt willst.«
    Sie wandte sich an der Tür um, damit sie ihn ansehen konnte, einen undefinierbaren Ausdruck im Gesicht; dann zuckte sie die Achseln, noch immer ohne ein Wort und ohne jede Verbindlichkeit, und dann ging sie.
    Einige Augenblicke später, als Farber im Bett saß und

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