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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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Abgründe lagen, als sie durch das Gewicht der administrativen Verantwortung erklärbar waren. Jacawen war ein Schattenmensch, flüsterten die alten einheimischen Handlanger, und obwohl Farber keine genaue Vorstellung davon besaß, was eigentlich ein Schattenmensch war oder was es bedeutete, einer zu sein, klang der Name sinister genug – besonders, wenn man dazu noch den drohenden Grimm des Fremden nahm –, um Farber zu veranlassen, Jacawen, so gut er konnte, aus dem Weg zu gehen.
    In erster Linie war Jacawen mit der kleinen Kollektion von Waren befaßt, die bereits als Handelsgüter von potentiellem Wert für die Erde anerkannt worden waren – zumeist Kunstgegenstände, einige exotische Mineralien und Chemikalien, Gewürze und bizarre Genußmittel. Mehr war es im Augenblick noch nicht, denn der Handel zwischen den beiden Planeten befand sich erst in den Anfangsjahren. Von noch größerem Interesse waren natürlich aus Jacawens Sicht die von der Erde importierten Artikel, an denen die Cian aus was für unerklärlichen Gründen auch immer Gefallen gefunden hatten: Waren, so verschieden wie Harmonikas, Kugellager und englisches Gebäck. Jacawen arbeitete in erster Linie mit dem griesgrämigen Missionsdirektor Raymond Keane und dem ständig umherrennenden, Babbit ähnlichen Ethnologen Dr. Ferri zusammen, und diesen beiden machte er genug Ärger, um den Direktor griesgrämig und den Ethnologen ständig in Bewegung zu halten. Unter anderem erreichte er das, indem er den Terranern verbot, irgendwelche importierten mechanischen Transporter zu benutzen, um Waren zwischen der Enklave und den Lagerhäusern am Aome-Hafen zu befördern. Statt dessen bestand Jacawen darauf, daß alle Waren von vergnügten, singenden und schwitzenden Cian getragen oder in den einfachen, von Tausendfüßlern gezogenen Karren gefahren wurden, so daß ständig eine Horde lauter cianischer Arbeiter die Grenzen der Enklave niederrannte. All das führte letzten Endes dazu, daß Jacawen, Keane und Ferri die meiste Zeit in der Enklave zu tun hatten, und das wiederum ermöglichte es Farber, allen dreien die meiste Zeit aus dem Weg zu gehen.
    Nachdem inzwischen Farbers einführende Sensi-Studien über das Leben in der Enklave und die Co-Op-Routinearbeiten fertig waren, konnte er sich den ganzen Tag über weit weg von den Büros aufhalten, wohl wissend, daß die Stunden, die er beim ›Sightseeing‹ in den Straßen von Aei verbrachte, offiziell sanktioniert und legitime Arbeitszeit waren – und daß man tatsächlich sogar genau solche Spaziergänge von ihm erwartete.
    Farber war graphischer Künstler und hielt sich auch selbst für einen, wenn er auch wie die meisten Künstler seiner Zeit kaum je Pinsel, Farben oder Leinwand berührt hatte. Statt dessen arbeitete er mit jenem raffinierten Gerät, das man Sensi-Krone nannte. Die Terraner importierten es von den Jejun, den Meisterkünstlern dieses Spiralarmes der Galaxis. Die Krone erlaubte es Farber, seine inneren Phantasien und Visualisationen direkt auf einen holographischen Film zu übertragen. Die Produkte dieses Prozesses, im allgemeinen Sprachgebrauch schlicht »Sensi« genannt, konnten entweder als Film vorgeführt oder als Photo-Vergrößerungen ausgestellt werden (was nun die angemessenere Betrachtungsweise war, so gab es dazu unterschiedliche Standpunkte), und sie verdrängten allmählich die alten Künste des Malens, der Bildhauerei und der Photographie in den höherzivilisierten Kulturen der Erde, Künste, die von den neuen Jungtürken als hoffnungslos passe und unerträglich primitiv betrachtet wurden. Mit dem Auftauchen der Sensis kam es zu einer Kreuzung zwischen der Landschaftsmalerei und den Reisetagebüchern der Entdeckungszeitalter, und es wurde üblich, Sensi-Künstler zu den Handelsmissionen draußen im All zu senden, um den Zuhausegebliebenen durch ihre künstlerisch geschulten Augen einen Blick auf die fremden Welten zu vermitteln. Farbers Aufgabe auf »Lisle« bestand eben darin, aber bisher war er nicht sehr produktiv gewesen. Das würde sich jetzt ändern, hoffte er. Die Nacht mit Liraun hatte ihm viel von seinen Hemmungen genommen, allein durch die fremde Stadt zu ziehen, und sein Kopf war voller Bilder und Erfahrungen aus dem Alàntene. Von guten Vorsätzen beflügelt, ging er los, um sich seine Sensi-Ausstattung abzuholen. Janet LaCorte warf ihm einen entrüsteten Blick zu, als er sich ins Verwaltungsbüro B 2 schlich.
    Mit einem säuerlichen Gefühl im Magen schnappte er

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