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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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»Humanoiden« – gepaart mit einer Art einstudierter »Naivität«. Er blieb also wach und überlegte, was man am besten tun könne. Auf der einen Seite liebte er Liraun aufrichtig und wollte sie nicht verletzen – aber er wollte sie auch nicht verlieren. Auf der anderen Seite hatte er wie die meisten jungen Männer seiner Tage, besonders die Künstler und die Intelligenz, Angst zu heiraten. Doch wie auch immer er die Sache anging, es kam immer zum gleichen Punkt: Entweder mußte er sie heiraten oder sie verlassen.
    Gegen Morgen beschloß er – reichlich kaltblütig, aber ein Mann kann oft Kaltblütigkeit als »Sinn für das Praktische« sehen, wenn er nur die Augen genügend zusammenkneift – daß es das beste sein würde, Liraun zu heiraten, aber nur nach cianischem Ritus. Das würde sie in den Augen der Cian wieder zu einer respektierten Frau machen, während es für seine terranischen Kollegen lediglich eine Eingeborenenhochzeit sein würde. Auf der Erde hätte sie keine rechtliche Gültigkeit, und wenn seine Beziehung zu Liraun schlecht verlief, könnte er am Ende seines Trips verschwinden und brauchte sich keine Gedanken über Ehe zu machen. Am Morgen würde er sein Anliegen an den cianischen Verbindungsmann schicken (aber dieser kleine, kalte Mann würde es wahrscheinlich, nach seinem Verhalten gegenüber Liraun auf der Party zu urteilen, sowieso nicht befürworten) und außerdem eine Notiz an die Co-Op senden, mit einer Erklärung dessen, was er vorhatte.
    Dann legte er sich schlafen.
    Er hatte noch nicht einmal daran gedacht, es Liraun mitzuteilen.
    Lirauns Augen, als er es ihr sagte. Der zweite Schritt.
     
    Am nächsten Nachmittag hatte Farber ein Gespräch mit dem Direktor der Co-Op.
    Die meisten Erdenmenschen spielten den Verbitterten, weil es zum Lebensstil ihrer Zeit gehörte, aber bei Raymond Keane, dem Direktor, war dies keine angenommene Rolle. Er war verbittert. Er war ein verbitterter, sorgenvoller, zynischer, ausgebrannter Mann mit gerade noch genügend Energie für ein Reservoir erschöpfter Boshaftigkeit. Er war seit dem Beginn der terranischen Beziehungen mit »Lisle« hier, in der einen oder anderen Funktion. In der ganzen Zeit war es ihm nicht gelungen, wirklich vernünftige Handelsbeziehungen aufzubauen. Die letzte große Hoffnung war eine der Eingeborenen-Drogen gewesen – auf Weinunnach für einen völlig anderen Zweck benutzt, die die Co-Op auf die Erde importiert hatte als ein Serum, um bei Transplantationen die Organabstoßung zu verhindern. Es stellte sich heraus, daß sie den unangenehmen Nebeneffekt hatte, zwei Jahre nach der ersten Dosis sämtliche Choline im Körper des Patienten aufzulösen, etwas, was in den Jahren der Erprobung in der Enklave niemals passiert war. Offensichtlich wurde diese Reaktion durch irgendeine Umweltbedingung auf der Erde ausgelöst; irgend etwas hatte ein Episom ausgelöst, das auf »Lisle« latent geblieben war. Das war immer das Problem im interstellaren Handel: zu viele unberechenbare Faktoren, und die Spielregeln änderten sich ständig und unvorhersehbar. Keane, zu jener Zeit ein kleinerer Angestellter, wurde durch den Cholin-Skandal in das Amt des Direktors geputscht, war jedoch nicht fähig gewesen, diesen Schatten abzuschütteln. Immer wieder liefen die Exporte nach Terra falsch, versauerten, erfüllten nicht die Erwartungen – nie wieder so spektakulär wie bei dem ersten Fiasko, niemals schlimm genug, um ihn aus dem Amt zu werfen, aber es ging ständig so weiter. Das lief nun schon seit fünf Jahren so. Es hatte ihn aufgefressen. Er wirkte wie ein Mann, der eigentlich nicht weiterkann, es aber muß, und der deshalb ohne Kraft weitermacht, nur auf dem Posten gehalten durch eine Reihe komplexer, aber starr miteinander verbundener Schwächen.
    Er ließ Farber länger als eine Stunde draußen warten, ohne ihm einen Platz anzubieten.
    Farber stand nicht leidenschaftlich entschlossen hinter seinen Heiratsplänen, als er an jenem Morgen ins Büro kam – es war der Morgen danach, und er begann, einige der mit seinem Vorhaben verbundenen Schwierigkeiten zu erkennen. Halb hatte er erwartet, man würde es ihm ausreden; und halb wünschte er sich das auch. Doch anstatt ihn zu überreden, hatte Keane ihn getadelt, hatte gedroht, getobt, gebrüllt und sich schließlich in eine so rotgesichtige Rage hineinmanövriert, daß er fast zu kreischen begann. Zuerst war Farber erstaunt gewesen. Er arbeitete mit dem denkbar lockersten Vertrag für die Co-Op,

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