Fremde Wasser
Dann gibt es die letzte Videobotschaft.
Und dann höre ich auf – endgültig. Ich bin müde. Ich will mich nicht von Kunden unter Druck setzen lassen, auch dann nicht,
wenn es so hochmögende Herren sind.«
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Olga stellt etwas an
Schweigen im Büro des Hauptkommissars.
Olga fasste sich als Erste.
»Darf ich mal?«, fragte sie und zog den Laptop zu sich heran.
Ihre Finger flogen über die Tastatur.
Dengler sah ihr erschöpft zu. Weber zündete sich eine Zigarette an.
»Wissen Sie, Dengler, nach all dem, was ich jetzt über den Fall in Erfahrung gebracht habe, und nach all dem, was Sie mir
erzählt haben, weiß ich genau, was Sie jetzt denken. Die Sachlage ist eindeutig. Und trotzdem haben wir – haben Sie nichts
in der Hand. Das wissen Sie, und das weiß ich.«
Er stützte sich auf, legte die Zigarette auf den Rand des Aschenbechers und fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht.
»Was werden Sie jetzt tun? Manchmal will man die Wirklichkeit nicht kennen«, fuhr er fort, ohne eine Antwort abzuwarten, »vielleicht
ist es besser, in einem Kokon der Lüge zu leben und dafür seine Unschuld zu bewahren.«
Dengler schwieg.
Weber rauchte.
Olga hackte in die Tastatur.
»Was machen Sie da eigentlich?«, fragte Weber schließlich.
»Ich will nur mal sehen, ob es noch weitere Videosequenzen gibt«, sagte sie.
»Nein, gibt es nicht. Habe ich schon überprüft. Und die Jungs vom BKA werden wahrscheinlich jedes Bit auf der Festplatte umdrehen.«
Er nahm die Zigarette wieder auf.
»Nein, da ist wirklich nichts mehr drauf«, sagte Olga nach einer Weile.
Sie schob den Rechner zurück.
»Dengler, sehen Sie irgendeine Möglichkeit, diesen Crommschröder festzusetzen?«, fragte Weber dann.
»Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte Dengler und erhob sich.
* * *
Wie ein Racheengel rauschte Olga in Denglers Badezimmer.
Sie schnappte die Zahnpasta, warf sie in den Müllbeutel.
»Das ist ein Beweisstück«, sagte Dengler müde.
»Quatsch nicht. Komm mit.«
Sie schnappte Dengler am Arm und zog ihn mit zu sich in ihre Wohnung.
Setzte ihn auf die Couch.
Brachte ihm ein Glas Rotwein.
Setzte sich an ihren Rechner.
»Wie immer ich es wende, es wird nicht reichen, um diesem Typ, diesem Grommschröder, ans Leder zu gehen«, sagte Dengler.
»Ja, ja«, antwortete sie und tippte weiter auf ihren Computer ein.
»Unsere Leiche hatte übrigens einen tollen Rechner«, sagte sie nach einer Weile.
»Mmh?«
»Ja. Sogar mit einer UMTS-Karte drin. Weißt du, was man damit machen kann?«
»Mmh?«
»Man kann Dateien wegschicken, ohne dass man den Rechner irgendwo an einer Telefonbuchse anschließen muss. Das Telefon ist
schon drin.«
Dengler erwachte aus seiner Lethargie. »Olga – hast du etwas angestellt?«
Sie strahlte ihn an.
»Ja, hab ich. Besser gesagt: der Heilige Antonius. Das ist doch der Schutzheilige für die Leute, die etwas verloren haben.Auf dem Rechner waren versteckte Dateien. Ich habe sie ... nun ja, gefunden. Und ich habe sie zu mir gemailt. Weber ist wohl
kein allzu großer Computerkenner.«
»Olga, das sind Beweismittel!«
»Genau – hier sind sie. Wir sehen uns jetzt einige Filme an. Der Tote hatte sie als Sicherung auf seinem Rechner. Und eine
Kopie hat er ins Netz gestellt. Guck mal.«
Sie drehte den Laptop um, sodass Dengler auf den Bildschirm sehen konnte.
Erneut sahen sie ein Bild des Toten. Porträtaufnahme. Olga drückte auf eine Taste, und er fing an zu sprechen:
»Ich weiß nicht, woher der Kunde meine Telefonnummer hat, aber er hat sie, und er drohte mir, mich auffliegen zu lassen. Das
ist das erste Mal, seit ich diesen Job mache, dass man mich bedroht. Wahrscheinlich ist Schumacher vom Verband die undichte
Stelle. Den werde ich mir noch zur Brust nehmen.
Diese Aufnahmen hier sind meine Lebensversicherung. Ich werde sie versteckt ins Netz stellen. Sollte ich das Verzeichnis ...«
Danach spielte Olga ihm die zweite Sequenz vor. Dann die nächste. Sie saßen vor dem Rechner und hörten dem Mann zu. Irgendwann
griff Olga leise Denglers Hand.
Sie weinte.
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Vernehmung
Am Morgen rief ihn eine neue Klientin an.
»Mein Mann ist verschwunden«, sagte sie, »bitte, Sie müssen ihn unbedingt finden.«
Die Frau weinte.
»Er ist in großer Gefahr.«
»Seit wann vermissen Sie ihn?«, fragte er.
»Nicht am Telefon«, sagte sie, plötzlich mit klarer Stimme.
»Können wir uns treffen? Morgen Mittag?«
»Wohnen Sie in Stuttgart?«
»Nein, aber wir
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