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Freude am Durchblick

Freude am Durchblick

Titel: Freude am Durchblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Buechler , Klaus Juergen Becker
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Stimmungen –nichts war immer gleich. Manche meiner Kunden begleitete ich jahrelang. Dabei entdeckte ich auch ihre persönlichen Veränderungen.
    Immer mehr fiel mir auf, dass sich die Sehstärke 1 eines Kunden stark veränderte, nachdem er Veränderungen in seiner Lebenssituation erfahren hatte, und zwar positiv wie negativ.
    Ein Klient beispielsweise, der sich früher in »Fehlfarben« kleidete, kam auf einmal in den »richtigen« Farben in mein Geschäft. Seine Lebenssituation hatte sich verbessert. Das Überraschende war dann bei der Augenprüfung, dass sich seine Sehleistung ebenfalls verändert hatte. Die Kurzsichtigkeit war zurückgegangen, der Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) hatte sich verändert und die Winkelfehlsichtigkeit hatte sich verbessert.
    Trauerfälle können die Sehleistung enorm beeinträchtigen. Eines Tages kam eine Kundin in mein Geschäft. Von ihr ging eine starke Traurigkeit und Kraftlosigkeit aus. Unter Tränen erzählte sie mir, dass ihr Mann vor zwei Monaten gestorben war. Ich hatte ihr vor einiger Zeit eine Brille angepasst, die plötzlich nicht mehr passte. In der Augenprüfung stellte ich fest, dass sie für die Ferne eine wesentlich stärkere Brille brauchte. Hier hatte die Trauer die Spannkraft aus der Linse genommen. Zudem konnte sie nicht mehr richtig lesen. In der Augenprüfung entdeckte ich eine starke Winkelfehlsichtigkeit für die Nähe. Um im Nahbereich etwas lesen zu können, müssen beide Augen sich aufeinander zubewegen und sich auf denselben Textteil konzentrieren. Durch die Trauer über den Tod ihres Mannes kam eine Emotion so dicht an die Kundin heran, dass ihre Augenmuskeln nicht mehr in der Lage waren, den normalen Spannungstonus zu halten. Wie die Frau selber waren die Augenmuskeln, ihre Sehkraft, in sich selbst zusammengefallen.
    Manchmal ist die Beeinträchtigung der Sehleistung vorübergehend. Zu meinen Kunden gehörte ein Jurastudent mit einer leichten Kurzsichtigkeit. Eines Tages kam er in mein Geschäft und bat um eine Augenprüfung. Nach seiner Auffassung
hatte sich sein Sehvermögen drastisch verschlechtert. Bei der Augenprüfung stellte sich heraus, dass tatsächlich seine Kurzsichtigkeit sprunghaft zugenommen hatte. Zudem zeigte sich ein bisher nicht vorhandener Abbildungsfehler (Astigmatismus). Da die Veränderung auffällig war, fragte ich ihn, ob er derzeit unter besonderem Stress stehen würde.
    Der Jurastudent bekundete, dass er kurz vor seinem Staatsexamen stehe und extrem viel lesen und lernen müsse. Mir wurde klar, dass sich seine gesamte Wahrnehmung auf die juristischen Texte richtete und dabei seine Gefühle ausgeschaltet wurden. Dieses extreme »sich auf den Punkt konzentrieren« hatte zu einer Verhärtung in der Linse, einer Verkrampfung der Augenmuskeln, dieses »in die Paragrafen eindringen« zu einer verstärkten Kurzsichtigkeit geführt.
    In dem Fall musste ich eine Brille für seine akute Situation ausmessen. Ich gab meinem Kunden jedoch die Auflage, nach Beendigung seines Examens die Augen neu testen zu lassen.
    Ich traf ihn einige Zeit später zufällig auf der Straße wieder. Er erzählte mir, dass er sein Examen bestanden hätte und nun wieder seine alte Brille tragen würde.
    Von meinen Kunden lernte ich, bei einer plötzlichen Veränderung der Sehleistung nach den Hintergründen zu fragen. Die Beispiele zeigen, dass es sowohl mentale wie auch emotionale Auslöser für Augenprobleme gibt.
    Ich war damals fasziniert von meinen Erkenntnissen. Solche Fälle waren für mich die Triebfeder, um weiterzuforschen, ob es auch bei anderen Menschen ähnliche Zusammenhänge gibt.
    Meine Erfahrungen mit den Lebensveränderungen meiner Kunden ließen in mir im Laufe der nächsten Jahre einen Umkehrschluss reifen. Ich sagte mir: »Möglicherweise kann ich die Lebenssituation und Geisteshaltung eines Menschen beeinflussen, indem ich seine Brillenstärke verändere.« Mir war klar, dass die Lösung nicht darin liegen konnte, einem Kunden einfach nur eine unterkorrigierte Brille zu verordnen. Ich war auf der Suche nach einer Systematik, einer dahinterstehenden Ordnung. Das Spannendste dabei waren die Geschichten, die die Augen meiner Kunden erzählten.
    Ich habe inzwischen viele tausend Augenprüfungen gemacht und fand immer wieder bestätigt, dass die Veränderungen von Brillenglasstärken in einem direkten Bezug zu den Veränderungen des Menschen selbst standen. Instinktiv spürte ich, dass bei all meinem Tun noch etwas Entscheidendes fehlte.

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