Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
Mann näher, der die Hände in den Hosentaschen hatte.
„Laura, wo ist Klein, dieser Bastard?“, fragte der Mann ins Leere. Die Handykamera zuckte leicht, fuhr dann höher, um das Gesicht des Mannes einzufangen. Dreißig Sekunden war das Gesicht deutlich zu erkennen, die blonden Haare, das gealterte Jungengesicht, das Gesicht von Falk Weber. „Wenn Klein auftaucht, soll er diesen Müll da entsorgen“, sagte er und stieß mit dem Fuß gegen die leblosen Körper der Mädchen.
Als Falk Weber in London Heathrow ins Flugzeug gestiegen war, hatte er natürlich keine Ahnung, dass diese dreißig Sekunden seinen Untergang besiegelten. Erst als ihn zwei Beamte von Scotland Yard aus dem Flugzeug holten und vor dem Flughafen bereits die internationale Presse auf ihn wartete, um ihn mit den Mädchenmorden zu konfrontieren, begriff er endlich, dass auch er für seine Sünden büßen musste.
An den internationalen Börsen stürzte nach Bekanntwerden der Verhaftung von Weber der Kurs der Krell Holding ins Bodenlose und das Unternehmen verschwand von der Bildfläche.
Mittlerweile waren die Straßen fast völlig zugeschneit und Braun und Jimmy kamen nur mehr im Schritttempo weiter. Zwischen den Containertürmen im Hafen blinkten die bunten Lichterketten des Anatolu Grill auf und Braun dachte an den gestrigen Tag, als er sich mit Kim dort auf ein Bier getroffen hatte.
Bauer, ihr Chefredakteur, war komplett ausgeflippt, als er das Video auf Wikifreaks gesehen hatte und Kim hatte daraufhin spontan gekündigt.
„War nicht weiter schlimm“, hatte sie zu Braun gesagt und ihm mit einem Jägermeister zugeprostet. „Ich habe bereits ein Angebot von einem internationalen Magazin. Mal sehen, was daraus wird.“ Mit dem Zeigefinger hatte sie einen Kreis auf das verschneite Stehpult gemalt. „Ich habe viel von dem jungen Mädchen gelernt“, hatte sie gesagt. „Dieser Überlebenswille von Marusha hat mich tief beeindruckt. Sie wird die Leitfigur für mein Buch werden, das Licht, das die Hölle erleuchtet. Was passiert jetzt eigentlich mit ihr?“
„Sie ist unsere Hauptbelastungszeugin und hat eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung für Österreich bekommen. Alle Fälle der verschwundenen Mädchen werden jetzt untersucht und die Familien müssen ausfindig gemacht werden. Da liegt noch eine Riesenarbeit vor uns, aber das ist es wert. Keines der toten Mädchen darf namenlos bleiben. Ich habe einen Deal mit Ritter von der Staatsanwaltschaft ausgehandelt, denn er wollte das belastende Video-File von seinem Golfpartner Falk Weber einfach verschwinden lassen. Wenn das herausgekommen wäre, dann wäre er erledigt gewesen. Aber zufälligerweise hattest du ja noch die Kopie.“
„War mehr als ein glücklicher Zufall, findest du nicht, Braun?“, hatte Kim wissend gelächelt. „Das kommt aber nicht in meinem Buch vor!“
„Wie heißt denn dein Buch?“ Braun war schon beim zweiten Bier angelangt und Kim hatte billigen Weißwein aus einem Pappkarton getrunken, da Kemal der Wirt bedauerlicherweise nichts für hochwertige Weine übrig hatte.
„Mein Buch heißt ,Requiem für die verschwundenen Mädchen‘. Das Buch wird die Mädchen vor dem Vergessen bewahren und vielleicht auch mich.“ Kim war ein wenig sentimental geworden und hatte sich ein weiteres Glas eingeschenkt. „Aber ich nehme den Kampf auf und lasse mich nicht unterkriegen! Die Therapie von Goldmann stimmt mich so positiv!“
„Du willst mir noch immer nicht sagen, wofür du kämpfst?“
„Braun, ich kämpfe für das Leben, verstehst du! Für mein Leben!“ Als Kim ihr Glas Wein ausgetrunken hatte, sah sie Braun lange in die Augen.
„Ich melde mich, wenn ich wieder zurück im Leben bin, Braun! Versprochen!“
Endlich erreichten Braun und Jimmy die Innenstadt von Linz und krochen mit ihrem Wagen im dichten Schneetreiben zwischen den Häusern entlang. Vor dem mit Brettern vernagelten Gebäude der ehemaligen Stadtbibliothek hielt Braun den Lieferwagen an und blickte auf das ziemlich heruntergekommene Haus.
„Das also ist das Taubenhaus, das dein Freund Phil erwähnt hat?“
„Genau. Ich habe versprochen, alle 47 Tauben hierher zu bringen, damit für sie gesorgt wird. Es ist so etwas wie ein Waisenhaus für Tauben.“ Jimmys Augen glänzten, als er Braun davon erzählte, dass ein alter Mann täglich mit Taubenfutter vorbeikam und, während er die Körner in den leeren Gängen und Lesesälen der Bibliothek verstreute, den Vögeln aus den Büchern vorlas, die halb
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