Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Kapitel 1
Ich spürte James muskulöse Brust unter meiner Wange und sog seinen mir mittlerweile so vertrauten Duft ein. Meine Augen hatte ich noch immer geschlossen. Zärtlich strichen seine Finger gleichmäßig über meinen Rücken und zeichneten kleine Muster auf meine Haut. Ich seufzte zufrieden.
»Guten Morgen«, raunte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich lächelte und hob den Kopf, um ihn anzusehen.
»Guten Morgen«, erwiderte ich schlaftrunken und wäre am liebsten in seinen bernsteinfarbenen Augen versunken. Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass ich hier neben ihm lag. Nach allem, was passiert war.
Im letzten Jahr hatte ich dem Tod mehr als einmal ins Auge geblickt. Dass ich immer noch am Leben war, konnte man getrost als ein kleines Wunder bezeichnen. Aus diesem Grund genoss ich jede Sekunde, die ich zusammen mit James verbringen durfte, noch intensiver als zuvor.
Seit vier Monaten war ich nun wieder menschlich und wir hatten noch keinen Weg gefunden, wie wir diesen Zustand ändern konnten. Eine Verwandlung durch James Blut war nicht mehr möglich. Um sein Leben zu retten, war ich einen Handel mit den Mächtigen eingegangen, durch den es ausgeschlossen war, dass ich mich durch einen Blutaustausch jemals wieder in einen Vampir verwandeln würde.
Doch wir gaben uns nicht geschlagen und suchten weiter nach einer Möglichkeit, meine Unsterblichkeit zurückzuerlangen. Stundenlang saßen wir deshalb über alten Büchern und hofften auf eine Lösung, doch bisher ohne Erfolg.
James gab sich zuversichtlich, auch wenn ich mittlerweile den Eindruck hatte, dass er manchmal genauso verzweifelt war, wie ich. Doch er vermied es, seine Enttäuschung darüber zu zeigen. Ich dagegen konnte sie nicht so leicht verbergen, was schon immer eines meiner größten Mankos gewesen war. Ich trug mein Herz auf der Zunge und meine Gefühle spiegelten sich in meinem Gesicht wider. Mehr als einmal warf ich eines der wertvollen Bücher in die Ecke und stieß einen wütenden Schrei aus. James beruhigte mich dann jedes Mal und versprach mir, dass wir ganz sicher einen Weg finden würden.
Danach ging es mir einige Tage gut. Solange, bis sich die Verzweiflung erneut wie ein langsam schleichendes Gift durch meine Adern bewegte und schließlich zu einem erneuten Wutausbruch führte.
Bei der Vorstellung älter zu werden, während mein Verlobter für immer 21 Jahre alt blieb, wurde mir mittlerweile regelrecht übel. Ich hatte immer über Twilight gelacht und nun befand ich mich plötzlich in der gleichen Lage. Das war doch absurd.
Momentan hatte ich damit kein Problem, denn noch war ich erst achtzehn Jahre alt. Zumindest bis morgen, denn dann war mein Geburtstag. Auch neunzehn war noch völlig in Ordnung für mich. Was aber, wenn es keinen Weg gab und ich langsam aber sicher in die Jahre kommen würde? Ich war kein Mensch, der alles tat, um jung zu bleiben und ich hatte wirklich nichts dagegen zu altern. Aber wenn dein Partner auf ewig ein junger Adonis bleibt und du irgendwann aussiehst wie ein verschrumpelter Apfel, ist das nicht lustig. Früher oder später würde James sicher das Interesse an mir verlieren, und wenn es erst einmal soweit wäre, könnte ich es ihm nicht einmal verübeln.
»Ich fühl mich wie Bella Swan«, murmelte ich kaum hörbar.
»Wer ist Bella Swan?«, wollte James wissen und zog eine Augenbraue nach oben.
»Eine Sterbliche aus einem Vampir-Roman«, erwiderte ich und machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Du und deine Vampir-Romane«, seufzte James und verdrehte die Augen. Er machte sich immer wieder über solche Bücher lustig und konnte nicht verstehen, wie ich so etwas lesen konnte.
Ich schnaubte. James hatte leicht reden, denn er wurde ja nicht alt und faltig, ganz im Gegensatz zu mir. Sicher, man sagt immer es kommt auf die inneren Werte an, aber sind wir doch ehrlich: Die Realität sieht völlig anders aus.
Ein guter Charakter ist nicht sichtbar und deshalb entscheidet immer der erste Eindruck. Und der ist immer noch das Aussehen. Erst danach finden wir heraus, ob der oder die Auserwählte auch geistig zu uns passt.
Ich sah es schon vor meinem inneren Auge. Wir beide in ferner Zukunft vor der Kinokasse. Die junge blonde Kassiererin lächelt James aufreizend zu, während ich mich auf meine Gehhilfe stütze und hoffe, dass meine Seniorenwindel nicht ihren Dienst quittiert. Ich stöhnte erneut und James nahm mich lächelnd in den Arm. Gut, dass er meine Gedanken nicht
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