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Fünf Wochen im Ballon

Fünf Wochen im Ballon

Titel: Fünf Wochen im Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Insel Ive ehrfurchtsvoll bei der Hand und führten ihn zu einer Hütte, die von Amuletten umgeben war. Bevor Joe hineinging, warf er einen etwas besorgten Blick auf die Knochenhaufen, die sich um dies Heiligthum erhoben; als er in seine Hütte eingeschlossen war, hatte er volle Zeit, über seine Lage nachzudenken.
    Während des Abends und eines Theiles der Nacht hörte er Festgesänge, und außerdem vollführte man einen Lärm, der für afrikanische Ohren ohne Zweifel sehr lieblich klang, indem man eine Art Trommel rührte und altes Eisen an einander schlug; kräftig gebrüllte Chöre begleiteten Tänze mit Körperverdrehungen und Grimassen, die um die heilige Hütte aufgeführt wurden.
    Joe konnte das Treiben durch die aus Schmutz und Schilf aufgeführten Wände des Häuschens genau beobachten, und zu jeder andern Zeit hätte er gewiß das lebhafteste Vergnügen an all’ diesen Ceremonien gefunden, aber sein Geist wurde bald von sehr unangenehmen Erwägungen heimgesucht. Wenn er auch noch so sehr geneigt war, die Dinge von ihrer guten Seite aufzufassen, so ließ sich die Thatsache doch nicht wegphilosophiren, daß er allein in diese
terra incognita
, unter einen wilden Volksstamm gerathen war, und diese Thatsache war wohl geeignet, trübe Gedanken in ihm wachzurufen. Wie wenige der Reisenden, die sich bis in diese Gegenden gewagt, hatten ihr Vaterland wiedergesehen!
    Trotz dieser unglücklichen Perspective trug nach einigen Stunden die Müdigkeit den Sieg über jene schwarzen Gedanken davon, und Joe fiel in einen tiefen Schlaf, der jedenfalls bis Tagesanbruch gedauert hätte, wäre er nicht durch eine Feuchtigkeit, die sich rings in der Hütte verbreitete, gestört worden.
    Bald verwandelte sich diese Feuchtigkeit in wirkliche Wassermassen, die hoch genug stiegen, um Joe bis an den Leib zu reichen.
    »Was giebt’s? rief dieser; eine Ueberschwemmung! wahrscheinlich eine neue Todesqual der verdammten Neger! ich werde wahrhaftig nicht warten, bis mir das Wasser über dem Kopf zusammenschlägt!«
    Mit diesen Worten stieß er die Mauer kräftig ein und befand sich – mitten auf dem See! Die Insel existirte nicht mehr, sie war während der Nacht im Wasser verschwunden, und an der Stelle, wo sie gegrünt, breitete sich die weite Fläche des Tschad-Sees.
    »Ein trauriges Land für Grundbesitzer!« dachte Joe, und machte sich von Neuem an seine Schwimmübungen.
    Eine der am Tschad-See ziemlich häufigen Naturerscheinungen hatte den wackern Joe befreit. Mehr als eine Insel, welche die Festigkeit eines Felsens zu haben schien, ist auf diese Weise verschwunden, und oft mußten die Ufervölker die Unglücklichen, welche solchen schrecklichen Katastrophen entgangen waren, bei sich aufnehmen.
    Joe kannte diese Eigenthümlichkeit der Tschad-Inseln nicht, aber er ließ die Gelegenheit, sie zu benutzen, nicht vorübergehen.
    Bald erspähte er eine treibende Barke, eine Art grob ausgehöhlten Baumstamms, und näherte sich ihr schleunigst. Ein paar Pagajen (Ruder) befanden sich glücklicher Weise darin, und Joe schoß bald in einer ziemlich schnellen Strömung über den See.
    »Orientiren wir uns, sagte er. Der Polarstern wird mir dabei zu Hilfe kommen, er pflegt ja sonst seinem Geschäft, einem Jeden die nördliche Richtung anzugeben, ehrlich nachzukommen.«
    Joe erkannte zu seiner großen Befriedigung, daß der Strom ihn zum nördlichen Ufer des Tschad-Sees trug, und ließ ihn gewähren. Gegen zwei Uhr Morgen faßte er auf einem mit dornigem Schilf bedeckten Vorsprunge festen Fuß; es war hier ein Baum emporgeschossen, der ihm ein Obdach in seinen Zweigen darbot. Joe kletterte, der größern Sicherheit wegen, hinein und erwartete, ohne viel zu schlafen, das Tageslicht.
    Als der Morgen schnell und plötzlich angebrochen war, wie dies in den Aequatorialgegenden gewöhnlich ist, warf Joe einen Blick auf den Baum, der ihn beherbergt hatte; ein ziemlich unerwartetes Schauspiel erschreckte ihn. Die Zweige waren mit Schlangen und Chamäleons buchstäblich bedeckt; das Laub verschwand unter ihren Umschlingungen; man hätte glauben können, es sei ein Baum ganz seltsamer Art, der als Früchte diese wunderlichen Thiere hervorbringe. Bei den ersten Sonnenstrahlen singen die Reptilien an, sich zu regen, und Joe stürzte unter dem Pfeifen und Zischen des Gewürms hinunter.
    »Das ist wieder etwas, das man in Europa nicht glaublich finden wird«, dachte er.
    Es war ihm unbekannt, daß die letzten Briefe des Doctor Vogel bereits von dieser

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