Fünf Wochen im Ballon
dieser Thiere.
So sehr der brave Bursche sich auch daran gewöhnt hatte, Alles in der Welt natürlich zu finden, fühlte er gegen die weitere Ausführung dieses Gedankens doch eine unbesiegbare Abneigung. Er fürchtete, das Fleisch eines Weißen möchte den Krokodilen ganz besonders zusagen, und rückte deshalb nur äußerst bedächtig und scharf umherlugend vor. Er war nur noch etwa zweihundert Schwimmstöße von einem, mit grünen Bäumen beschatteten Ufer entfernt, als ein mit dem penetranten Geruch des Moschus gefüllter Luftzug zu ihm hinüberwehte.
»Ganz wie ich dachte! sagte er zu sich; der Kaiman ist nicht weit!«
Er tauchte eilig unter, aber doch nicht schnell genug, um den Contact mit einem enormen Körper zu vermeiden, dessen schuppige Haut ihn hart streifte. Er hielt sich für verloren und begann mit verzweifelter Schnelligkeit zu schwimmen; er kam wieder auf die Oberfläche des Wassers, schöpfte von Neuem Athem und verschwand dann wieder. Fünfzehn Minuten lang stand er eine unsägliche Angst aus, die seiner ganzen Philosophie spottete, und zuweilen glaubte er das Geräusch der ungeheuren Kinnlade hinter sich zu vernehmen, die sich bereit machte, ihn fortzuschnappen.
Er schwamm so leise wie möglich unter dem Wasser fort, da fühlte er plötzlich, wie man ihn zuerst am Arm und dann um den Leib faßte.
Der arme Joe! Er dachte noch ein letztes Mal an seinen Herrn, und begann dann ein verzweifeltes Ringen, während dessen er nur darüber erstaunt war, daß er nicht weiter hinab gezogen wurde. Er wußte sehr wohl, daß Krokodile ihre Beute auf dem Grunde der Gewässer zu verschlingen pflegen. Er aber fühlte sich auf die Oberfläche geschleppt.
Kaum hatte er hier Athem geholt und die Augen geöffnet, als er sich zwischen zwei ebenholzschwarzen Negern erblickte, die ihn mit kräftigen Fäusten gepackt hielten und ein sonderbares Geschrei ausstießen.
»Sieh doch, Neger anstatt Kaimans! rief Joe erstaunt aus; ich ziehe sie wahrhaftig noch den Bestien vor! Aber wie können diese Kerle wagen, sich hier zu baden?«
Es war ihm nicht bekannt, daß die Bewohner der Tschad-See-Inseln ungefährdet in die Alligatoren-Gewässer tauchen, ohne sich auch nur um die Gegenwart der Thiere zu kümmern; diese genießen den wohlverdienten Ruf unschädlicher Saurier.
War Joe aber nicht aus einer Gefahr in die andere gerathen? Er wollte dies wenigstens abwarten und ließ sich inzwischen, da ihm nichts anders übrig blieb, an’s Ufer geleiten.
»Augenscheinlich, sagte er zu sich, haben diese Leute den Victoria wie ein Ungeheuer der Lüfte über den See streichen sehen. Sie sind von ferne Zeugen meines Falls gewesen und werden jedenfalls die gebührende Rücksicht für einen Mann an den Tag legen, der vom Himmel gefallen ist; lassen wir ihnen einstweilen ihr Vergnügen!«
So weit war Joe mit seinen Erwägungen gekommen, als er unter dem heulenden Zuruf einer Menge jeden Geschlechts, jeden Alters, aber nicht jeder Farbe an’s Land stieg. Er war bei einem Stamm der Biddiomahs, die sich durch ein prächtiges Schwarz auszeichnen. Er brauchte nicht einmal über die Leichtigkeit seiner Tracht zu erröthen; er war »entkleidet« nach der neuesten Mode des Landes.
Aber ehe er Zeit hatte, sich von seiner Lage Rechenschaft abzulegen, sah er bereits, daß ihm die offenkundigste Verehrung entgegengetragen wurde. Dies gewährte ihm eine gewisse Beruhigung, obgleich ihm das Abenteuer in Kaseh noch wohl im Gedächtniß war.
»Ich ahne schon, daß ich wieder ein Gott werden soll; wahrscheinlich irgend ein beliebiger Sohn der Luna! nun, schließlich ist dies Geschäft ebenso gut wie jedes andere, wenn man keine Wahl hat. Das Wichtigste ist jedenfalls, Zeit zu gewinnen. Wenn der Victoria wieder vorübersegelt, werde ich meine neue Stellung benutzen, um meinen Anbetern das Schauspiel einer wunderbaren Himmelfahrt zu gewähren.«
Während Joe diese Betrachtungen anstellte, schloß die Menge einen immer engern Kreis um ihn; sie warf sich auf den Boden, heulte, betastete ihn und wurde nach und nach zutraulich; aber man dachte auch daran, ihm ein köstliches Mahl anzubieten, das aus saurer Milch mit in Honig gestoßenem Reis bestand. Der wackere Junge ließ diesen Vortheil nicht unbenützt vorübergehen, hielt sofort eine der besten Mahlzeiten seines Lebens, und brachte dem Volk einen hohen Begriff von der Art und Weise bei, wie sich die Götter bei solchen Gelegenheiten delectiren.
Als der Abend herangekommen war, nahmen die Zauberer
Weitere Kostenlose Bücher