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Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Titel: Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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als der heutige. Er setzte den König ab und bannte ihn aus der Kirche. Heinrichs Feinde, die Fürsten, rieben sich die Hände. Sie wollten den Tyrannen schon lange loswerden und stellten ihm ein Ultimatum: Wenn sich Seine Majestät nicht binnen eines Jahres vom Bann befreie, würden sie einen neuen König wählen. Und so zog Heinrich im tiefsten Winter über die Alpen auf die Burg Canossa, um sich mit dem Papst zu versöhnen. Allerdings startete der Adlige in Speyer, meine Reise beginnt schon im hohen Norden. Warum ich nach Canossa gehe? Das weiß ich noch nicht genau. Aber angeblich soll es dort fabelhafte Tortellini geben.
    Die Sonne steht senkrecht am Himmel, und meine Hafenfähre landet auf dem Mond. Ich war schon in New York, aber noch niemals am südlichen Ufer der Elbe. Jemand hat ein Herzchen in den Rasen gemäht, an der Ecke verkaufen sie Kaminholz, und in den Fenstern der rot verklinkerten Giebelhäuschen sitzen hübsch angezogene, sonnengebleichte Puppen. «Moin!», sagt die Omi auf der Straße, norddeutsch kurz und bündig. Auf einem kleinen, künstlich aufgeschütteten Hügel am Ende der Siedlung stehen acht Rentner und warten, die Spiegelreflexkameras im Anschlag. Sie haben Glück. Ein Beluga landet auf dem Airbus-Gelände, dreht eine Ehrenrunde übers Rollfeld und posiert wie Germany’s Next Topmoppel von allen Seiten. Wie schnell könnte ich auf diesem gigantischen Moby Dick nach Canossa reiten? Und wie lange brauche ich zu Fuß? Es ist verrückt, aber von meiner Wohnung aus sind es exakt 999,9 Kilometer Luftlinie bis ans Ziel, und Google Maps macht Mut: Für einen Wanderer sei die Strecke in lächerlichen zehn Tagen und acht Stunden zu schaffen. Allerdings weist die allwissende Suchmaschine darauf hin, dass der Routenplaner für Fußgänger erst im Beta-Stadium sei. Und noch etwas macht mich skeptisch. Google meint, der kürzeste Weg führe über Helgoland.
    Ich lasse die Insel aus und stapfe den Rest den Tages durch unendliche Weiten aus Wiesen, Moor und Moorwiesen. Meine Oma Anneliese würde sagen: Ganz schön viel Gegend hier. Manchmal schrecke ich Gänse auf oder bleibe stehen und esse einen Müsliriegel, der Rest ist Zen. Ich lasse die Gedanken kommen und wieder gehen, stundenlang, und mit jedem Schritt fühle ich mich langsam besser. So vergehen die Stunden.
    Im ersten Sonnenuntergang des Jahres laufe ich auf eine sagenumwobene Stadt zu. Jeder kennt ihren sonderbaren Namen, doch kein Mensch hat sie je zuvor gesehen. «In Buxtehude, da bellen die Hunde mit dem Schwanz!», heißt es im Norden, und wenn man ärgerlich ist, sagt man im Süden: «Geh doch gleich nach Buxtehude!», weil dieser Ort so unvorstellbar weit weg scheint. Angeblich wächst hier der Pfeffer, und irgendwo am Stadtrand sollen sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Wie wunderbar. Ich fuhr mit der Rikscha durch Bangalore, tauchte meine Hand in den pechschwarzen Ölboden von Baku und tanzte Tango in Buenos Aires. Doch das größte Abenteuer meines Lebens beginnt ausgerechnet in Buxtehude.

[zur Inhaltsübersicht]

    Kapitel 2
    Into the Wild
    (Buxtehude–Wildeshausen)
    E s war einmal ein Kollege von mir, der war klein, dünn und trug eine Brille. Auch sonst wirkte er ganz und gar unscheinbar, dennoch blickten die Leute voller Ehrfurcht auf den Knirps und nannten ihn die «Legende von Buxtehude». Sein wahrer Name klang nicht weniger bedeutend und mysteriös, er hieß Volker Pickenpack. In den achtziger Jahren, als die Menschen noch Nackenspoiler und Schenkelbürsten trugen, sorgte er für Angst und Schrecken in den Strafräumen der Landesliga. Seine Pässe schienen von Geistern gelenkt zu werden, und seine Schüsse waren so kraftvoll, dass es hieß, er könne sogar eine Kuh umschießen. Und so begab es sich zu dieser Zeit, dass der SV Buxtehude in jeder Saison die meisten Treffer im Lande erzielte.
    Doch auf Zwerg Pickenpack lastete ein Fluch. Je mehr Tore er schoss, desto mehr kassierte auch sein Verein. Und sosehr er sich auch reckte, sosehr er fluchte und vollstreckte, niemals wollte der Aufstieg in die Verbandsliga gelingen. Es war zum Haareraufen.
    Zehn Jahre gingen ins Land, das Männlein war ein Greis geworden, und endlich, in seinem allerletzten Fußballspiel, war der Aufstieg plötzlich zum Greifen nah. Die Uhr stand schon auf neunzig, Buxtehude lag gegen die Wandsbeker knapp in Führung, da sollte das Männlein einen Eckstoß ausführen. Grimm regte sich auf den Rängen, nun schieß doch, rief die Meute, schieß doch

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